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Das sexuelle Leben der Catherine M.

Das sexuelle Leben der Catherine M.

Titel: Das sexuelle Leben der Catherine M. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Millet
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Yves Saint Laurent, einem Badetuch, auch von YSL; meine Zahnbehandlungen waren umsonst, und ein Darlehen von mehreren tausend Francs musste ich nie zurückzahlen. Immer hat man mir das Taxi oder einen Flug bezahlt. »Du siehst abgebrannt aus«, sagte mir einer, der mich in sehr jungen Jahren kannte, »man muss dir einfach einen Hundert-Francs-Schein in die Hand drücken.« Mein ganzes Leben lang muss ich auf Männer diesen Eindruck gemacht haben – nicht den Eindruck einer Frau, die auf ihren Vorteil bedacht ist, weit gefehlt!, sondern den eines jungen Mädchens, das sich sein Geld nicht selbst verdienen kann und dem sie mit ein bisschen Taschengeld aushelfen müssen. Aus dieser Liste fallen natürlich alle Geschenke von Jacques heraus, denn unsere Beziehung ist anderer Natur, und ich lasse auch alle Werke beiseite, die ich von Künstlern bekam, denn immer wenn sich meine beruflichen Interessen mit meinen sexuellen Beziehungen überschnitten, konnte ich davon ausgehen, dass es gleichermaßen ein Dank an die Geliebte war.
Nichts ist schöner als das erste Mal
    Nicht immer im Leben verhält man sich beim Sex gleich. Das kann an den Beteiligten liegen – wenn zum Beispiel eine Person alle Lust auf sich vereint –, aber auch daran, dass es Momente der Selbstbesinnung gibt und man den alten Trott verlässt, begünstigt durch Veränderungen in Lebensbereichen, die nicht notgedrungen mit dem Gefühlsleben zu tun haben – Umzug etwa, Krankheit oder ein neues berufliches, intellektuelles Umfeld. In zwei Situationen wurden meine sexuellen Ausschweifungen gebremst. Als Jacques und ich uns entschlossen zusammenzuziehen, schrieb er mir, dass wir uns niemals etwas verheimlichen und uns auf keinen Fall anlügen dürften. Nun hatte ich aber gerade Beziehungen geknüpft, von denen ich fürchtete, dass sie Jacques missfielen; einige Beziehungen konnte ich aufgeben, ich ging immer seltener zu Partys, und wenn ich ging, dann hatte ich solche Schuldgefühle, wie ich sie bis dahin kaum gekannt hatte und was auf mich sehr hemmend wirkte; es war nicht schlimm, aber trotzdem da. Dann aber markierte eine ziemliche banale Party einen Wendepunkt für mich. Die Gastgeber waren Bekannte; er hatte kurz zuvor die Redaktion einer großen Zeitung übernommen, sie war Sängerin – für mich waren die beiden immer Karikaturen auf die Darsteller in Citizen Kane. Ich hatte schon mit ihnen gevögelt, zumindest mit ihm. Die Gäste waren bekannte Leute, sie hatten sich in zwei Gruppen aufgeteilt, eine im Schlafzimmer, eine im Wohnzimmer auf einem Sofa, das mitten im Raum unter einem Lüster stand. Ich war auf dem Sofa, denn die Betätigung im Licht war mir entschieden lieber. Ich mochte den gedrungenen Schwanz des Gastgebers sehr gern, er war ein Modell seines Körpers ohne Taille. Dann wurde es im Schlafzimmer lebhaft: Eine junge Frau lag im Federbett versunken und strampelte wie ein Baby, immer wieder verschwand sie unter dem breiten Rücken, der sie bedeckte, und stieß Schreie aus, die durch die ganze Wohnung hallten. Ich sah mir diese Art der Extrovertiertheit gelassen an. Dass einer der Teilnehmer seine Bewunderung ausdrückte und meinte, »sie gibt alles«, fand ich blöd. Ich ging zurück zum Sofa und ruhte mich aus. Dabei dachte ich, dass diese junge Frau einen zentralen Platz einnahm, der bislang mir gebührt hatte, und dass ich eigentlich eifersüchtig sein müsste, doch meine Eifersucht hielt sich in Grenzen. Zum ersten Mal machte ich selbst Pause, wo ich normalerweise unermüdlich zugange war, und ich genoss diese Pause wie die Momente, wenn ich mich bei einem Essen oder einem Treffen mit Freunden auf mich selbst zurückzog. Natürlich fragte ich mich, warum ich so reagierte. Die Antwort fand ich, indem ich wie immer offen über diese Praktiken mit Gesprächspartnern diskutierte, die sich darauf einließen oder nicht. Meist kommentierte und interpretierte ich sie mit meinem Rüstzeug mehr oder weniger primitiver psychoanalytischer Ansätze – was auf mich die Wirkung eines Kavallerieregiments hatte, das im Galopp ein aufsässiges Indianerdorf stürmt –, nachdem ich selbst schließlich drei Mal die Woche den Weg zu einem Sofa nahm, nicht um zu vögeln, sondern um darüber zu reden, und ganz unbewusst nicht nur als aktive Teilnehmerin einen Platz gefunden hatte, sondern auch als Beobachterin.
    Und als ich mich aus dem Zentrum der Spirale entfernte, machte ich eine Entdeckung: Meine Lust war nie größer als beim ersten Mal, nicht beim

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