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Das sexuelle Leben der Catherine M.

Das sexuelle Leben der Catherine M.

Titel: Das sexuelle Leben der Catherine M. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Millet
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Haare. Wenn Claude und ich die Abende mit Freunden verbrachten und ich unerwartet und ungesehen mit ihm vögelte wie an jenem Abend, trat ich ihm nicht ohne eine diffuse Scham wieder unter die Augen. Ich glaube, das Gleiche galt auch für meinen Begleiter. Claude erwartete uns unten im Treppenhaus, er tat so, als wäre er aus einem anderen Haus gekommen. Henri fand, dass er komisch aussah. Nach der richtigen Tür haben wir nicht weiter gesucht.
Krankheit, Schmutz
    Jede Nische, wo der Körper eine Fülle erfährt, die umgekehrt proportional ist zum Raum, den er zur Verfügung hat, und wo er sich umso mehr entfalten kann, je mehr er eingezwängt wird, erinnert uns an den fetalen Zustand. Und wir ziehen daraus nie mehr Genuss, als wenn das organische Leben verborgen in dieser Nische sein Recht fordert, egal, wie dies beschaffen ist, und wir uns einem Zustand überlassen können, der sehr stark an den Beginn einer Regression erinnert. Ein Gedanke: Die Hygiene schreibt nicht vor, dass ein Abort ein Ort sei, eine Kammer, die wir alleine aufsuchen; wenn sich dies so entwickelt hat, dann unter dem Vorwand der Scham, doch der eigentliche Grund für diese Scham ist nicht die Sorge um unsere Würde und auch nicht die Sorge, andere zu belästigen, sondern die Freiheit, sich ganz der Lust des Defäkierens zu überlassen, seinen eigenen Gestank einzuatmen, ja sogar minutiös unseren Stuhl zu untersuchen wie Salvador Dali, der darüber vergleichende und bildhafte Beschreibungen gegeben hat. Ich will keine »skatologischen« Geschichten erzählen, ich will mich hier lediglich an alltägliche Umstände erinnern, in denen meine Körperfunktionen im Konflikt waren. Und da ich niemals einen erklärten Liebhaber meiner Fürze und Fäkalien traf und auch selbst niemals die der anderen kosten wollte, wurden diese Konflikte zu einem unsicheren Kampf zwischen Lust und Unlust, Genuss und Schmerz.
    Ich leide unter Migräne. Bei der Ankunft auf dem Flughafen in Casablanca muss ich lange auf das Gepäck warten und vergehe vor Hitze. Die Reise ist noch nicht zu Ende. Mit Basile, dem Architekten, der mich eingeladen hat, fahre ich zu dem Feriendorf, das er baut und wo er ein kleines Haus besitzt. Wir halten an einem Weg abseits der Straße, das Wetter ist schön, spärliches Laub raschelt im hellen Licht. Ich hocke auf allen vieren auf der Rückbank und strecke wie immer meinen Arsch so schön hin, dass ich ihn mir wie ein Ballon vorstelle, der vor dem Wagen schwebt, sich gleich vom übrigen Körper losreißt und davonfliegt. Während dieser Ballon durchlöchert wird von einer der spitzesten Nadeln, die ich jemals kennen gelernt habe, spüre ich die ersten Symptome. Sternchen trüben meinen Blick und verstärken den Eindruck des flimmernden Lichts. Beim letzten Stoß hat mein Körper, abgesehen von meinem Arsch, aufgehört zu existieren, hat sich seines Inhalts entleert, ist zusammengeschrumpft wie eine Frucht ohne Wasser, hat sich zersetzt in der Glut. Besser gesagt, es steht nichts mehr zwischen meinem Schädel, der im Schraubstock zerbröselt ist, und der Haut an meinem Hintern, wo noch die letzten Berührungen stattfinden. Ich brachte kein Wort mehr heraus. Als wir am Ziel waren, legte ich mich ganz steif in das hohe, breite Bett. An die beiden Enden, auf die mein Körper reduziert war, an das eine, wo er sich im Schmerz auflöste, und an das andere, das die Lust in eine Trägheit versetzt hatte, hängte sich das Gewicht des Schwindels, der mit den starken Kopfschmerzen kommt. Ich war gewissermaßen nur noch die Erscheinung eines Körpers, beschwert an den drei Punkten der einzigen Organe, die mir geblieben waren und an denen sich ein besorgter Mann leise zu schaffen machte. Wenn mich die Migräne in einem abgedunkelten Zimmer festhält und ich nicht einmal mehr das Laken von meiner Haut ziehen kann, das manchmal getränkt ist vom Schweiß einer Nacht und eines ganzen Tages, wenn ich den halb verrochenen Gestank meines Erbrochenen einatme und das die einzige Wahrnehmung ist, die keinen unerträglichen Schmerz hervorruft, stelle ich mir manchmal mit der letzten Kraft meines Geistes vor, dass ich in diesem Zustand, wo meine Augenhöhlen mit gräulichen Scheiben vergrößert sind und die inneren Augenwinkel und die Nasenwurzel ganz eingesunken sind, von fremden Augen gesehen werde. Jacques ist zu sehr daran gewöhnt, und ein Arzt hat zu viel Distanz. Ich wünsche mir, dass Jacques mich in diesen Momenten fotografiert und dass er die Fotos

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