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Das sexuelle Leben der Catherine M.

Das sexuelle Leben der Catherine M.

Titel: Das sexuelle Leben der Catherine M. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Millet
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Papieren und aufgeblätterten Seiten, die vermutlich noch gebraucht wurden. Zusammen mit dem Staub wäre das aber noch gar nichts gewesen; da dienten Gläser, in denen noch der braune, eingetrocknete Rest eines Getränks lagerte, als Papierpressen, dort hatten Gläser runde, klebrige Ränder in andere Papiere gedrückt, da steckte ein vergilbtes T-Shirt oder ein hartes, getrocknetes Handtuch zwischen den Laken, dort musste ich auf der Suche nach einem Stück Seife in der Spüle archäologische Ausgrabungen betreiben zwischen Schichten von Tassen und Untertassen, an denen eine Kruste aus Krümeln haftete wie Erde an einer frisch ausgegrabenen Tonscherbe. Es war herzerfrischend. In diesem Loch verbrachte ich viele Nächte. Sein Bewohner konnte sich nicht von ihm trennen. Für mich war es eine nie versiegende Quelle der Ratlosigkeit, wenn ich feststellen musste, dass er wohl nie diesen grundlegenden Akt zivilisierten und städtischen Lebens vollziehen und sich die Zähne putzen würde. Wenn er lachte, enthüllte seine Oberlippe eine gelbe Fläche, die hier und da schwarz gesprenkelt war. Ich zweifelte nicht daran, dass jede Mutter ihrem Kind Sauberkeit beibringt, und fragte mich, wie groß sein Erinnerungsverlust an die Kindheit gewesen sein muss. Er mochte es, wenn ich ihm den Arsch rieb. Er ging gleich auf alle viere, streckte seinen großen, weißlichen Arsch heraus und setzte eine ernste, abwartende Miene auf. Ich hockte mich neben ihn auf meine gespreizten Knie, die linke Hand lag leicht auf seinem Rücken oder seiner Hüfte, die rechte, befeuchtete Hand rieb seine Rosette, dann steckte ich zwei, drei, vier Finger hinein. Manchmal musste ich bei meinem gebeugten Rücken und den wilden Bewegungen meines Arms an eine Hausfrau denken, die schnell eine Soße korrigiert, oder an einen Bastler, der sein Werk poliert. Sein Stöhnen war genauso nasal wie sein Lachen. Dieser Klang, an dem ich die Früchte meiner nicht nachlassenden Arbeit erkannte, brachte mich in so eine Übererregung, dass ich erst aufhörte, als die Bewegung schmerzhaft wurde. Dann nahmen wir wie Akrobaten eine Stellung nach der anderen ein, bis wir schließlich die Plätze getauscht hatten. Die Zunge ersetzte die Finger, ich glitt unter ihn zum so genannten 69, dann ging ich auf alle viere. Die erneute Spitze der Lust, die ich dann erreichte, war immer wieder ein Thema anschließender Fragen. Nur wenige Menschen kennen diese Öffnung, und sich darin zu suhlen ließ sicherlich die kindliche Schwäche für die Kloake wieder wach werden. Die Kloake ist ein verborgener Ort, nicht so sehr weil es erniedrigend wäre, wenn andere ihn sähen, sondern weil man sich, wie bestimmte Tiere, die einen abstoßenden Geruch aussenden, um ihren Verfolger fern zu halten, damit umgibt wie mit einem Schutzschild, sich hineinflüchtet wie in ein Nest, das umso sicherer ist, als es zum Teil mit seinen eigenen Ausscheidungen gebildet wurde. Doch meine Bekannten waren so direkt zu sagen, dass dieser Mann dreckiger sei, als es für einen Intellektuellen, der öfter mal sein Äußeres vernachlässigt, statthaft wäre. Ich schmetterte weder die Fragen noch die Kommentare ab, ich reagierte etwas herausfordernd. »Na und? So, wie ihr mich seht, geduscht am Morgen und mit frischer Unterwäsche, suhle ich mich in diesem Dreck.« Oder, falls nötig: »Ich reibe mich an ihm, wie ich mich an euch kuschle.«
    Man muss kein großer Psychologe sein, um in diesem Verhalten einen Hang zur Selbsterniedrigung zu erkennen, vermischt mit der perversen Absicht, den anderen mit hineinzuziehen. Doch damit nicht genug – ich war von der Überzeugung getrieben, unglaublich frei zu sein. Entgegen allem Ekel zu vögeln war nicht nur erniedrigend, ich erhob mich in der Umkehrung dieser Bewegung auch über Vorurteile und brach Tabus, die genauso stark waren wie der Inzest. Ich begnügte mich damit, meine Partner nicht selbst aussuchen zu müssen, es war mir egal, wie viele es waren (unter den Umständen, wie ich mich hingab, hätte ich meinen Vater nicht wieder erkannt, wenn er dazugehört hätte), auch egal, welches Geschlecht sie hatten, welche körperlichen und moralischen Eigenschaften sie besaßen (und so, wie ich auch einen ungewaschenen Mann nicht ablehnte, vögelte ich in vollem Bewusstsein auch mit drei oder vier körperlich und geistig Behinderten). Und ich wartete nur darauf, dass ich eines Tages von einem Hund besprungen werde, wie Eric mir versprochen hatte, was aber nie passierte. Ich weiß

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