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Das sexuelle Leben der Catherine M.

Das sexuelle Leben der Catherine M.

Titel: Das sexuelle Leben der Catherine M. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Millet
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aber nur den Kopf, der Hals ist zwischen die Schultern gezogen, die Wange an Erics Blouson gedrückt und leicht geriffelt vom Reißverschluss, der Mund weit offen, während das, was sich hinter meinem Rücken abspielt, zur Kulisse gehört. Die Stöße des Zwergs kommen mir so unwirklich vor wie die Geräusche, die hinter den Kulissen ertönen und eine ferne Handlung vortäuschen.
    Ein anderes Mal, in einer Sauna, bringt mich die Geziertheit einer kleinen Masseuse dazu, mich zu spalten. Auf den getreppten Lattenbänken muss ich mich in alle Richtungen drehen. Ich habe mich abwechselnd gebeugt und gestreckt, um die bettelnden Schwänze in meinen Mund zu nehmen. Ich schwitze wenig, und meine Haut blieb ziemlich lange trocken, sodass der eine oder andere mich packen konnte, während ich mich im Gegenteil abmühen musste, die glitschig gewordenen Körperteile festzuhalten und zu bearbeiten. Bis ich in der Dusche war, haben sie meine Klitoris gereizt, mir in die Warzen gekniffen. Schließlich legte ich mich schmerzend auf die Massagebank. Das Mädchen sprach leise und setzte die Sätze so ab, wie sie auch die Massage immer wieder aussetzte, um sich die Hände einzuölen. Sie konnte mir meine Müdigkeit nachfühlen. In so einem Fall geht nichts über ein Dampfbad mit anschließender Massage. Sie tat so, als würde sie nicht wissen, welchen Prüfungen ich meinen Körper kurz vorher ausgesetzt hatte, sie spricht mit mir und kümmert sich wie eine Kosmetikerin professionell und fürsorglich um mich, die aktive und moderne Frau, die sich ihr ohne Scham hingibt. Vor allem in solchen Situationen schlüpfte ich gerne in eine Rolle und ich spreche mit ihr; diese Normalität machte mich noch träger als die Arbeit ihrer Finger. Es machte mir Spaß zu spüren, wie sie meine Muskeln lockerte, die einige Minuten zuvor noch sehr viel lüsterner gedrückt worden waren. Auch sie erschien mir ganz fern. Uns trennten aufeinander folgende Häutungen. Sie bearbeitete eine Verkleidung, die unsere Unterhaltung nach und nach gewoben hat, aber darunter war die Haut, wo ihre Berührungen die der anderen überdeckte, und diese Haut überließ ich ihr gerne wie einen Orden. Soweit ich weiß, waren wir nur zwei Frauen, aber ich dachte mich in den aktiven Raum der Männer – die mich in gewisser Weise immer noch umkreisten –, während ich sie als Beobachterin in einem passiven femininen Raum wahrnahm. Wir beiden Frauen waren durch einen unüberwindlichen Graben getrennt.
    Die Selektion, die mein Blick vornimmt, wird verdoppelt von dem sehr sicheren Schutz durch den Blick des anderen, von dem undurchsichtigen und gleichzeitig durchsichtigen Tuch, mit dem er mich bedeckt. Jacques wählt nicht absichtlich belebte Orte aus, um mich nackt zu fotografieren – er würde mich immer nur vor einem Spiegel entblößen –, doch er hatte eine Schwäche für Durchgangsorte und vor allem für den Übergangscharakter der Hintergrundobjekte (Autowracks, weggeworfene Möbel, Ruinen …), was uns schließlich an Orte führte, wo es solche Gegenstände gibt. Wir sind vorsichtig. Ich trage immer ein Kleid, das ich leicht wieder zuknöpfen kann. Am Grenzbahnhof Port-Bou warten wir, bis der Bahnsteig leer ist. Ein Zug fährt an, doch er steht zwei, drei Gleise entfernt. Die Reisenden sind so beschäftigt, dass sie uns nicht beachten, und wir vergewissern uns, dass die Zöllner sich weiter unterhalten. Jacques steht im Gegenlicht, ich kann die Zeichen schlecht erkennen, die er mir macht. Ich gehe auf ihn zu, das Kleid von oben bis unten offen. Die Sicherheit kommt mit dem Gehen. Wie hypnotisiert durch das Flimmern der Silhouette, die am anderen Ende auf mich wartet, habe ich den Eindruck, immer weiter in einem Tunnel voranzugehen, in der mit beißender Schärfe geladenen Luft einen langen Raum zu öffnen, der nicht breiter ist als die Spannweite meiner baumelnden Arme. Jedes Klick bestätigt einen straffreien Schritt. Am Ende meines Gangs lehne ich mich an die Mauer. Jacques macht vielleicht noch ein paar Bilder. Trägheit ist mir gestattet, wenn ich den Raum durchquert habe. Das Glücksgefühl der Eroberung: Wir wurden auch in der Unterführung zwischen den Bahnsteigen nicht mehr gestört, nicht in der großen leeren, hallenden Halle und auch nicht auf dem Gehsteig am Ausgang, den Katzen belagerten und den ein Springbrunnen zierte.
    Die zweite Fotositzung des Tages findet auf dem Matrosenfriedhof statt, in den Gängen, die an den übereinander liegenden Zellen

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