Das sexuelle Leben der Catherine M.
vorbeiführen, auf Benjamins Grab und im Versteckspiel mit ein paar dahinschlendernden Frauen. Es schien mir einsichtig, nackt zu sein, im Seewind und mit den Toten. Aber ich bin unsicher an diesem zweideutigen Ort, der offen ist, aber keine Tiefe hat, zwischen dem Horizont und dem Rahmen des Objektivs. Nicht die Balustrade hält mich am Rand des Abgrunds, es ist der Blick, der mir immer wieder folgt, mich führt und zwischen ihm und mir ein Halteseil spannt. Wenn ich aufs Meer sehe, drehe ich der Kamera den Rücken zu, kann die Entfernung zwischen ihr und mir nicht mehr abschätzen, und so klebt dieses Objektiv wie ein Schröpfkopf an meinen Schultern und an meinem Rücken.
Nach dem Abendessen gehen wir zum Wagen zurück, der am Friedhof geparkt ist. Wir genießen den Abend, das Reiben, Hintern an Schwanz. Mein wiederholtes Ausziehen verlangt nach mehr; da ich mein Kleid ständig aufgeknöpft und ausgezogen habe, möchte ich mich noch ganz weit öffnen. Ich liege halb auf der Kühlerhaube, meine Möse will gerade den steifen Schwanz aufnehmen, da dringt schrilles Gebell an mein Ohr. Der Schein der einzigen Straßenlaterne wird vom wilden Schatten eines kleinen Hundes durchquert, gefolgt von einem humpelnden Mann. Ein kurzer Moment der Verwirrung: Ich schlage mein Kleid hinunter, Jacques packt recht und schlecht sein störrisches Teil wieder ein. Ich streichle ihn durch die Hose hindurch weiter und will, dass wir uns etwas einfallen lassen, je nach dem, welche Richtung der Mann einschlägt, der ausgerechnet hin und her geht und uns scheel ansieht. Jacques meint, es sei besser zurückzufahren. Im Wagen bekomme ich vor Panik einen Wutanfall wie immer, wenn die Frustration zu groß ist. Auf Jacques’ besonnene Bemerkungen antworte ich, dass der Typ vielleicht mitmachen wollte. Die tobende Lust ist ein naiver Diktator, der nicht glaubt, man könne sich ihm widersetzen, nicht einmal widersprechen. Darüber hinaus bekomme ich fast das Gefühl, ich sei aus der Aufmerksamkeit entlassen, die mich den ganzen Tag lang begleitet und beschützt hat und die gewissermaßen meine Bindung zur Welt ausmacht. Die Wut kommt aus einem Gefühl der Ohnmacht. Wenn meine Lust, gevögelt zu werden, durchkreuzt wird, bin ich hin und her gerissen zwischen zwei widersprüchlichen Stimmungen: zum einen Ungläubigkeit, die mich daran hindert, so einsichtig sie auch sein mögen, die Gründe zu verstehen, warum die anderen meinen dringlichen Erwartungen nicht entsprechen; zum anderen der genauso kindischen Unfähigkeit, ihren Widerstand zu brechen, so situationsbedingt, eindeutig oder schwach er auch sein mag, das heißt, die Initiative zur Verführung oder zur Provokation zu ergreifen, damit sie ihre Meinung ändern. Ich versteife mich darauf, ich erschöpfe mich in der Erwartung einer Initiative, die der andere ergreifen soll und es vielleicht nicht tut. Wie oft war ich böse auf Jacques, wenn mich die Lust bei einer ganz alltäglichen Tätigkeit gepackt hat, bei der Hausarbeit zum Beispiel, und ich mir nichts anmerken ließ, und ich ihm dann auf irgendeine Weise vorwarf, nicht in meine Gehirnwindungen schauen zu können, wo meine Libido ihren Ursprung hat. Wenn man mir den Vergleich dieser Launen mit einem anderen, wenngleich ungewöhnlichen Zustand erlaubt, dann möchte ich an jene Menschen erinnern, die von Geburt an oder nach einem Unfall ihre Gliedmaßen oder ihre Sprache nicht mehr gebrauchen können, deren Intelligenz und deren Bedürfnis nach Kommunikation sich aber nicht verändert hat. Sie sind vollständig davon abhängig, was ihre Umwelt sich einfallen lässt, um ihre Isolation zu durchbrechen. Vielleicht kann diese Umwelt dies zum Teil erreichen, indem sie kaum wahrnehmbaren Zeichen des Kranken, einem Blinzeln zum Beispiel größte Aufmerksamkeit entgegenbringt oder indem sie den Kranken geduldig massiert und seine Empfindungen wieder weckt. Sexuelle Frustration stürzt mich in einen Zustand, den ich einen harmlosen Autismus nennen möchte; ich bin völlig abhängig von einem begehrlichen Blick und von Berührungen, die mich bedecken. Dann verflüchtigt sich die Angst, und ich kann wieder meinen Platz in einer Welt einnehmen, die nicht mehr feindlich ist.
Auf dem Rückweg will ich, dass wir am Straßenrand anhalten. Aber meine Wut wird immer größer, denn wir sind auf einer Schnellstraße, wo dies kaum möglich ist. Ich entziehe mich der Straße und auch dem Wagen, konzentriere mich auf meine Möse, schiebe sie vor und streichle
Weitere Kostenlose Bücher