Das sexuelle Leben der Catherine M.
weniger um einander aufzugeilen und uns gegenseitig an Obszönitäten zu übertreffen, sondern weil wir exakt sein wollen bei der Beschreibung. »Spürst du, wie nass sie ist? Mir läuft es schön an den Schenkeln runter, und die kleine Klit ist ganz geschwollen.« – »Dieser Arsch, wie schön er zappelt! Er will den Schwanz, was? Ja, er will ihn!« – »Ja, aber davor will ich noch die Eichel an meiner Klit spüren. Soll ich sie auf der Klit reiben?« – »Ja, und dann stopfe ich dir den Arsch!« – Das tut gut … Und dir? Tut es deinem Schwanz gut?« – »Ja, das tut ihm gut.« – »Ziehen sich auch deine Eier zusammen?« – »Ja, das zieht gut an den Eiern. O ja! Aber ich ramme ihn dir noch mal richtig in den Arsch!« Dieser Dialog geht in gleich bleibend ruhigem Ton weiter, sogar wenn wir uns dem Ende nähern. Da wir nicht immer zur gleichen Zeit dasselbe sehen und fühlen, sprechen wir miteinander, um in gewisser Weise unsere jeweiligen Informationen zu vervollständigen, ähnlich wie zwei Synchronisten, die auf dem Bildschirm die Handlungen der Personen sehen, denen sie ihre Stimme geben: Wir lösen durch unsere Worte die Protagonisten in einem Porno ab, der vor unseren Augen läuft, und diese Protagonisten sind Arsch, Möse, Eier und Schwanz.
Worte zerstückeln den Körper aus der Notwendigkeit heraus, diese Stücke zu verdinglichen, zu instrumentalisieren. Die berühmte Szene aus Die Verachtung von Godard, in der Michel Piccoli Wort für Wort über den Körper der Bardot geht, ist eine schöne Umsetzung des Austauschs zwischen dem Blick und dem Wort, das ständig reizt, sich auf die Stücke des Körpers zu konzentrieren. Wie oft ruft man beim Vögeln: »Schau!«? Natürlich kann man alles ganz nah sehen, aber manchmal muss man wie im Museum auch Abstand nehmen, um gut zu sehen. Ich liebe es, beim Ausziehen von weitem den verheißungsvollen Schwanz zu betrachten. Nach der Theorie der Gestaltpsychologie erscheint er mir riesig groß im Verhältnis zum Körper – der in seinem manchmal etwas lächerlich wirkenden halb nackten Zustand und durch seine skurrile Isolation mitten im Zimmer fast geschwächt wirkt –, dicker jedenfalls, als wenn ich nur den Schwanz vor Augen habe. Genauso kann es auch sein, dass ich mich plötzlich der Umarmung entziehe, dass ich aufstehe und mich zwei Meter entferne, die Hände auf die Arschbacken lege, sie so weit es geht spreize und den bräunlichen Krater des Arschlochs und das hellrote Tal der Vulva in der gleichen Fluchtlinie dem Blick aussetze. Wie bei einer Einladung, die eine verzwungene Wendung nimmt und man sagt: »Diese Früchte müssen Sie kosten«, sage ich: »Du musst meinen Arsch sehen!« Und dann wackle ich mit dem Arsch, weil die Dinge reizvoller sind, wenn man sie bewegt.
Meinen Arsch zeigen und mein Gesicht sehen. Nur Weniges kommt der Lust an dieser doppelten Polarisierung gleich. Das Bad ist der ideale Ort: Das Waschbecken gibt guten Halt, um die Stöße ins Hinterteil abzufangen, und ich kann immer wieder schonungslos hell erleuchtet ein Gesicht im Spiegel sehen, das sich auflöst, in Umkehrung zum unteren Teil meines Körpers, der ganz in Bewegung ist. Die Wangen eingefallen, der Mund weit offen wie ein Automatenfach, das aufgesprungen ist und nicht mehr zugeht. Es könnte das Gesicht einer Toten sein, wenn dieser Blick nicht wäre, der in unerträglicher Kraftlosigkeit verschwimmt, wenn ich ihm begegne. Und dann schließe ich halb die Lider, verschleiere den Blick, suche ihn. Dann kommt die Landung, ich halte sein Spiegelbild fest und weiß sicher: Jetzt komme ich zum Höhepunkt. Er ist der Siphon, durch den ich mein Sein entleere: Ich kann mich in dieser Erlahmung nicht wieder erkennen und weise ihn sogar mit einem Gefühl der Scham zurück. So bleibt die Erregung auf einem Maximum – so, wie die Multiplikation von zwei negativen Zahlen ein positives Produkt ergibt, ist diese Lust nicht das Produkt einer Loslösung von sich selbst, wie man oft sagt, sondern der Verbindung dieser vorweggenommenen Loslösung mit dem Schrecken, den sie in einem Anflug der Besinnung hervorruft. Im Bad bringe ich mich manchmal alleine bis zu diesem Punkt der Lust. Ich lege eine Hand auf den Waschbeckenrand und reibe mich mit der anderen, dann beobachte ich mich aus den Augenwinkeln im Spiegel. Ein Pornofilm hat mich beeindruckt: Der Mann nahm die Frau von hinten, die Kamera war ihr gegenüber, ihr Gesicht war im Vordergrund. Durch den Druck, der auf ihren ganzen
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