Das Siebte Kind - Das Geschenk der Telminamas (German Edition)
Land geblieben, aber er musste zurück. Er konnte seine Familie nicht im Stich lassen. Außerdem, davon war Sid felsenfest überzeugt, hätte König Nuhr ihm niemals erlaubt, in seinem Reich zu bleiben. Niemand wollte Lergos‘ Zorn auf sich ziehen.
Am Abend vor seinem Aufbruch in den Norden schlenderten Sid und Kim wie so oft in den vergangenen Tagen im Licht der untergehenden Sonne am Flussufer entlang. Das beständige Rauschen des Wasserfalls war kaum mehr zu hören, als sich Kim unter einer Weide niederließ und Sid neben sich in das kniehohe Gras zog. „Weißt du, warum ich unbedingt wollte, dass dich Vater zu uns ins Dorf bringen ließ, Sid?“, fragte Kim leise.
„Weil du mich liebst natürlich“, lachte Sid frech und vergaß für einen Moment seine trübselige Stimmung.
„Nein, du liebst mich“, widersprach Kim mit funkelnden Augen, dann wurde sie wieder ernst. „Ich wollte dich bei uns haben, weil ich gefühlt habe, dass wir zusammengehören. Von dem Augenblick an, an dem du dich aus dem Wasser gezogen hast, hab ich es gewusst.“ - „Lieben kann man viele Menschen, mal mehr mal weniger, mal für kurze oder längere Zeit, aber unsere Seelen sind auf tiefere Weise verbunden. Und ich weiß, dass du irgendwann wieder zurück kommen wirst.“
Sids Herz glühte. Zärtlich nahm er Kim in die Arme und gab ihr einen langen, innigen Kuss. Es war sein erster Kuss, und Sid wünschte sich, dass er für alle Ewigkeiten andauern würde. Alles um ihn herum verschwand, nichts war mehr wichtig. Nur noch Kim.
… Irgendwann wehten leise Töne aus unendlicher Ferne herüber. Ein Vogelsang war es, der die Welt erfüllte, so lieblich, dass er niemals zu Ende gehen sollte. Doch dann trat wieder Stille ein und irgendetwas sehnte sich nach der wundervollen Melodie. Die Sehnsucht wurde größer, dann fühlte diese Sehnsucht, dass sie auf etwas Weichem lag. Und das Gefühl erinnerte sich …
Sid löste sich sanft aus der Umarmung und bemerkte gerade noch den kleinen, bräunlichen Vogel, der soeben mit munterem Gezwitscher über ihm davonflog. Da fiel ihm alles wieder ein. Alles. Er wusste, was da hinter dem Wasserfall verborgen lag: das Land des ewigen Lebens. Er wusste von Beron und Wulf, von Maron und den Gesetzen und er erinnerte sich an die elfenartigen Wesen, die ihn treu begleiteten. Forschend blickte er um sich, aber kein noch so kleiner Schimmer war zu entdecken. Hier drüben waren die kleinen Gestalten wirklich vollkommen unsichtbar, wie Maron es vorhergesagt hatte.
Sid jauchzte vor Glück und drückte Kim erleichtert an sich. Er war unendlich dankbar, dass ihm der wundersame Vogel erschienen war. Vermutlich hatte Maron ihn geschickt. Nun musste er sich nicht mehr vor dem König fürchten, denn er hielt ja sein Leben in den Händen. Und neue Hoffnung entflammte in Sids Brust: vielleicht gab es doch noch einen Weg, um seine Familie zu retten.
Wieder küsste er Kim leidenschaftlich auf die glühenden Lippen. „Wir werden uns wiedersehen, Kim“, flüsterte er ihr zärtlich ins Ohr und war dabei genauso überzeugt wie Kim selbst. Schließlich hatte er vor wenigen Tagen erst Kims „Erinnerung“ vereint mit den Telminamas seiner Eltern und seiner Geschwister gesehen.
Unverhofftes Wiedersehen
S eit fünf Tagen war Sid nun unterwegs. All seine Muskeln taten ihm weh. Er war das Reiten nicht gewohnt und vielleicht hätten ihm ein Zaumzeug und ein Sattel die Schmerzen zumindest zum Teil erspart. Aber als Fergon und Wahib ihm großzügig eines ihrer Pferde angeboten hatten, waren ihm Wulfs Worte wieder eingefallen: „Kein Pferd in diesem Land würde sich so ein Zeug anlegen lassen. Wir sind ihre Freunde und sie tragen uns nur, weil sie uns lieben.“ Deshalb ritt Sid nun auf dem nackten Rücken einer braunen Stute namens Siri durch das weite, flache Land.
Zunächst hatte Sid fruchtbare Felder überquert und war sogar an einigen kleinen Seen vorbeigekommen, doch je weiter er in Richtung Norden kam, desto trockener und staubiger wurde die Erde.
Die Sonne schien für Ende August noch ziemlich heiß vom Himmel und brannte Sid in den ungeschützten Nacken, während er einsam auf einer kargen Ebene dahin trabte und an seine Familie und Kim dachte. Es war später Nachmittag, als er den seichten Grenzfluss Maar durchquerte, wenig später schon erschienen die ersten dunklen Schlieren in der Atmosphäre über dem nördlichen Horizont.
Am Abend veränderte sich das Wetter dann schlagartig. Ein heftiger,
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