Das siebte Kreuz
der Sommerreise –« – »Wo ging’s denn hin?« – »Nach Thüringen, und wir haben die Wartburg besichtigt und den Martin Luther und den Sängerkrieg und den Venusberg. Das war auch noch eine Art Belohnung. Nein, so was war noch nie da auf der Welt.« – »Nie«, sagte Georg. Er dachte: So’n Schwindel, noch nie. Er sagte: »Und du, Paul? Wie stehst du dich? Bist du zufrieden?« – »Ich kann nicht klagen«, sagte Paul. »Zweihundertzehn im Monat, das sind immer noch fünfzehn Mark mehr, als ich im besten Jahr nach dem Krieg bekam, 29, und nur zwei Monate lang – aber diesmal – bleibt’s.« – »Das sieht man schon auf der Straße«, sagte Georg, »daß ihr voll belegt habt.« Seine Kehle wurde immer enger, und ihm brannte das Herz.
Paul sagte: »Na ja, was willst du – das ist der Krieg.« Georg sagte: »Ist das nicht ein komisches Gefühl?« – »Was?« – »Was du da sagst, die Dinger zu fabrizieren, daß sie da unten dran krepieren?« Paul sagte: »Ach, dem einen sein Ul, ist dem andern sein Nachtigall. Wenn du erst anfangen willst, darüber zu spinnen – siehst du, Liesel – das ist heut Kaffee. Da muß der Georg mal öfters bei uns schlappmachen.« Georg versicherte: »Das ist mein bester Kaffee seit drei Jahren.« Er tätschelte Liesels Hand. Er dachte: Fort – aber wohin? Röder sagte: »Du hast ja immer zum Spinnen geneigt, mein Schorsch, no und? Dein Garn ist alle geworden. Du bist doch stiller. Früher hättest du mir jetzt genau erzählt, was ich alles auf meinem Gewissen hab.« Er lachte auf. »Weißt du noch, Schorsch, wie du mal zu mir gekommen bist mit heißen Backen. Ich war grad arbeitslos: diesmal müßt ich dir aber unbedingt was abkaufen – etwas von den Chinesen. Ausgerechnet ich! Ausgerechnet ein Büchelchen kaufen! Ausgerechnet Chinesen!«
»Komm mir jetzt bloß nicht mit den Spaniern«, sagte er böse, obwohl Georg schwieg. »Nur damit komm mir jetzt nicht. Die sind auch ohne den Paul Röder erledigt. Siehst du, die haben sich gewehrt und doch erledigt! An meinen paar Kapselchen wird es nicht mehr liegen.« Georg schwieg. »Immer bist du mir mit solchen vertrackten Sachen gekommen, die ganz weit abliegen.«
Georg sagte: »Wenn du die Kapselchen für sie machst, das liegt doch dann gar nicht weit ab.«
Liesel hatte inzwischen den Tisch abgedeckt, alle Kinder gefüttert, jetzt hieß es: »Sag dem Vater gute Nacht. Sag dem Schorsch auch gute Nacht.«
»Ich leg jetzt meine Kinder«, sagte die Liesel. »Ihr braucht zum Schwätzen noch keine Lampe.« Georg dachte: Mir bleibt nichts anderes übrig, hab ich denn eine Wahl? Er sagte beiläufig: »Hör mal, Paul, macht dir das was aus, wenn ich heut nacht hier schlaf?« Röder sagte ein wenig erstaunt: »Nein, was soll mir das ausmachen?« – »Weißt du, ich hab daheim Krach gehabt, der soll verdampfen.« – »Bei uns kannst du einheiraten«, sagte Röder.
Georg stützte den Kopf in die Hand. Zwischen den Fingern sah er zu Röder hinüber. Röder hätte vielleicht ernst ausgesehen, war sein Gesicht nicht gar zu lustig betupfelt. Er sagte: »Kriegst du immer noch Krach um dies und das? Was du nicht alles für Anschläge gehabt hast! Damals hab ich dir schon gesagt, mich laß aus, Schorsch. Nutzlose Sachen kann ich nicht ausstehen, lieber Kartoffelsupp. Diese Spanier sind auch lauter Schorschs. Ich mein – wie du früher warst, Schorsch. Jetzt trittst du, scheint’s, schon leiser auf. In deinem Rußland haben sie’s auch nicht geschafft. Erst hat’s nach was ausgesehen, daß man doch manchmal bei sich gedacht hat: Vielleicht, wer weiß? Jetzt –« – »Jetzt?« sagte Georg. Er verdeckte rasch seine Augen. Trotzdem war Paul schon getroffen von einem einzelnen scharfen Blick zwischen zwei Fingern. Er stutzte. »Jetzt, das weißt du doch.« – »Was?« – »Wie dort alles drunter und drüber geht!« – »Was?« – »Was weiß ich, ich kann diese Namen doch nicht behalten.«
Liesel kam zurück. »Leg dich jetzt, Paul. Sei nicht bös, Schorsch – aber …« – »Der Schorsch will heut nacht hier schlafen, Liesel, er hat Krach daheim.« – »Du bist ‘ne Nummer«, sagte die Liesel. »Warum denn?« – »Das ist eine lange Geschichte«, sagte Georg. »Das erzähl ich dir morgen.« – »Ja, für heut ist genug geschwätzt, sonst ist der Paul nämlich nicht so mobil, der ist sonst schlagkaputt.« – »Kann ich mir vorstellen«, sagte Georg, »daß er nichts geschenkt bekommt.« –
Weitere Kostenlose Bücher