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Das siebte Kreuz

Das siebte Kreuz

Titel: Das siebte Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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ist?« – »Ja«, sagte Elli, »das glaub ich.« – »Warum glaubst du das? Schließlich liegt doch die Stadt auch weitab. Jeder kennt ihn hier.« – »Ja, aber er kennt auch viele. Vielleicht hat er hier irgendein Mädchen, auf das er baut –« – Ihr Gesicht wurde ein wenig starr – »Vor drei Jahren, ganz kurz bevor er verhaftet wurde, hab ich ihn mal von weitem gesehen in Niederrad. Er hat mich nicht gesehen. Er ging mit einem Mädchen. Nicht bloß die Arme eingehängt, auch die Hände, so ein Mädchen vielleicht –« – »Vielleicht aber, daß du so sicher bist!« – »Ja, sicher. Weil er hier jemand hat, so ein Mädchen oder einen Freund. Weil auch die Gestapo das glaubt, weil sie immer noch hinter mir her sind und vor allem –« – »Vor allem?« – »Weil ich es spüre«, sagte Elli. »Ich spüre es hier – und hier.« Franz schüttelte den Kopf. »Liebe Elli, dafür würd dir nicht mal die Gestapo etwas geben.«
     
    Sie setzten sich auf den Koffer, Franz sah jetzt erst Elli voll an. Einen Augenblick lang sah er sie an von oben bis unten, den er herausnahm aus der geringen Zeit, die ihnen gehörte, aus der furchtbaren engen Zeit, aus der ihr Leben geschnitten war. Elli senkte die Augen. Wenn sie Franz auch bisher ganz vergessen hatte, wenn sie auch jetzt daherschritt wie auf dem Seil und unter sich Luft, wenn es auch auf Leben und Tod ging, was sie hier in der Apfelkammer zusammengeführt hatte, was konnte denn Elli dazu, wenn ihr Herz ein paar Schläge weit flog in der Erwartung der Liebe? Franz nahm ihre Hand, er sagte: »Liebe Elli, am liebsten würd ich dich jetzt in einen von meinen zwei leeren Apfelkörben verpacken und die Treppe heruntertragen und auf meinen Wagen stellen und fortfahren. Weiß Gott, das war mir das liebste, aber es geht nicht. Glaub mir, Elli, ich hab mir all die Jahre gewünscht, dich wiederzusehen, aber wir können vorerst nicht mehr zusammenkommen.«
     
    Elli dachte: Alle Art Menschen sagen mir, wie gern sie mich haben und daß sie nicht mehr mit mir zusammenkommen können.
     
    Franz sagte: »Hast du schon daran gedacht, daß sie dich auch wieder festnehmen können, wie sie das öfters machen mit den Frauen von Flüchtlingen?« – »Ja«, sagte sie. »Fürchtest du dich?« – »Nein, wozu?« sagte Elli. Warum hat gerade sie keine Angst, dachte Franz. Er spürte einen ganz leisen Verdacht. Daß ihr das immer noch gut sei, so oder so mit Georg verknüpft zu werden. Er fragte scheinbar ohne Übergang: »Wer war eigentlich der Mensch, den sie abends bei dir verhafteten?« – »Ach, das war ein Bekannter von mir«, erwiderte Elli. Zu ihrer Schande muß man gestehen, daß sie Heinrich schon fast vergessen hatte. Hoffentlich ist der Arme wieder bei seinen Eltern! Wie sie ihn kannte, würde auch er nach so mißlichen Erlebnissen nie mehr zu ihr zurückkehren. Aus solchem Stoff war er nicht gemacht.
     
    Beide, noch immer Hand in Hand, sahen vor sich hin. Eine Traurigkeit, gegen die kein Kraut gewachsen ist, schnürte beiden die Kehle zu.
     
    Franz sagte in ganz verändertem, trockenem Ton: »Also, Elli, du hast dich besonnen, wer da von früher, als er noch hier in der Stadt war, in Betracht kommt, ihn aufzunehmen?«
     
    Sie begann ein paar Namen aufzusagen, zwei, drei Freunde waren darunter, die Franz von früher kannte.
    Unglaubwürdig, daß Georg, wenn sein Verstand noch hell war, ohne weiteres hinlief. Zwei, drei ganz fremde Namen, die ihn beruhigten, dann ein Schulfreund, der kleine Röder, an den Franz selbst schon gedacht hatte, ein alter Lehrer, war schon längst pensioniert und nicht mehr da.
     
    Franz dachte, da gibt es zweierlei, entweder Georg ist kaputt und denkt überhaupt nichts mehr, dann sind unsere Erwägungen alle unnütz, dann ist alles unberechenbar, oder er denkt – dann muß er so wie ich denken – Hermann muß außerdem wissen, mit wem er noch ganz zuletzt vor seiner Verhaftung zusammen war. Aber ich darf von Elli auch nicht zu Hermann herauf. Gehen wieder Stunden um Stunden verloren. Er vergaß die Frau. Er sprang auf, wobei ihre liegengebliebene Hand von seinem Knie herunterrutschte. Er stülpte rasch den leeren Korb, in dem er Elli hatte verstauen wollen in den anderen leeren Korb. Elli bezahlte die Äpfel, er gab heraus. Dabei fiel ihm ein: »Wenn sie uns fragen, du hast mir fünfzig Pfennig Trinkgeld gegeben.« Er war halb darauf gefaßt, daß man ihn beim Verlassen des Hauses anhielt.
     
    Als die Spannung vorbei war, als der Franz aus

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