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Das siebte Kreuz

Das siebte Kreuz

Titel: Das siebte Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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gutes Jackenkleid anziehn.
     
     
     
    Kreß stand noch auf demselben Fleck in dem dunklen Teil des Zimmers. Die Frau setzte sich, ohne ihn anzusehen, auf ihren alten Platz. Sie schlug das Buch an der Stelle auf, an der die Ankunft der beiden Männer sie unterbrochen hatte. Ihr glattes, starres, bei Tag eher stumpfblondes Haar glänzte jetzt stärker als das Licht, das es glänzen machte. Sie glich einem schmächtigen Knaben, der sich zum Spaß eine Art Helm aufgestülpt hat. Sie sagte auf ihr Buch hinunter: »Wenn du mich anstarrst, kann ich nicht lesen.«
     
    »Dazu hast du den ganzen Tag Zeit gehabt. Sprich jetzt mit mir.« Die Frau sagte, ohne von ihrem Buch aufzusehen: »Wozu?« – »Weil mich deine Stimme beruhigt.« – »Wozu hast du eigentlich Beruhigung nötig? Hier bei uns ist wirklich kein Mangel an Ruhe.« – Der Mann fuhr fort, sie unverwandt anzusehen. Sie schlug zwei, drei Seiten um. Er sagte plötzlich in verändertem Ton: »Gerda!« Sie runzelte die Stirn. Sie nahm sich aber zusammen, offenbar aus Gewohnheit und weil sie sich sagte, daß Kreß ihr Mann sei und müd von der Arbeit und der gemeinsame Abend immerhin begonnen habe. Sie legte das aufgeschlagene Buch über ein Knie, sie fing an zu rauchen. Dann sagte sie: »Wen hast du da eigentlich aufgelesen? Ein sonderbarer Gesell.« Der Mann schwieg. Sie zog unwillkürlich die Brauen zusammen und sah ihn schärfer an. In der Dämmerung konnte sie seine Züge nicht unterscheiden. Wovon glänzte sein Gesicht? War er denn so bleich?
     
    Er sagte schließlich: »Die Frieda bleibt doch bis morgen weg?« – »Bis übermorgen früh.« – »Hör mal, Gerda, du sollst keinem Menschen erzählen, daß wir Besuch haben. Fragt dich jemand, dann sag: ein Schulfreund.«
     
    Sie sagte ohne Erstaunen: »Gut.« Der Mann war auf sie zugetreten. Jetzt konnte sie sein Gesicht fast unterscheiden. »Hast du das Radio gehört, diese Flucht aus Westhofen?« – »Ich? Radio? Nein.« – »Es sind ein para durchgebrannt«, sagte Kreß. – »So.« – »Sie haben alle wieder gefangen.« – »Schade.« – »Bis auf einen.«
     
    Die Augen der Frau glänzten auf. Sie hob ihr Gesicht. So hell war es nur einmal gewesen, am Anfang ihres gemeinsamen Lebens. Damals wie jetzt verging es sogleich. Sie betrachtete ihn genau von oben bis unten, sie sagte: »Sieh mal an.« Er wartete. »Ich hab dir’s wirklich nicht zugetraut. Sieh mal an.«
     
    Er trat zurück. Er sagte: »Was? Nicht zugetraut?« – »Das! Das alles! Also wirklich – entschuldige.«
     
    Kreß sagte: »Wovon sprichst du jetzt eigentlich?« – »Von uns beiden.«
     
    Georg dachte in seinem Zimmer: Ich will herunter. Was hab ich denn hier oben erhofft. Wozu muß ich allein sein? – Was quälte er sich in diesem von innen abgeschlossenen Bunker in Blau und Gelb, mit handgewebten Matten belegt, mit fließendem Wasser aus Nickelkranen, mit einem Spiegel, der ihm unbarmherzig dasselbe einprägte wie die Dunkelheit: sich selbst.
     
    Dem weißen, niedrigen Bett entströmte der kühle Geruch von frisch Gebleichtem. Er aber, zum Umfallen müde, ging auf und ab, von der Tür zum Fenster, als sei er bestraft mit Entzug des Lagers. – Ob das mein letztes Quartier ist? Mein letztes, ja, aber wovor? Ich muß jetzt herunter zu Menschen. – Er schloß auf.
     
    Er hörte schon auf der Treppe die Stimmen von Mann und Frau, nicht laut, aber eindringlich. Er wunderte sich. Die beiden waren ihm beinah stumm erschienen, oder bis zum Äußersten schweigsam. Er zögerte vor der Tür. Kreß sagte: »Warum quälst du mich eigentlich?« Georg hörte die etwas tiefe Stimme der Frau: »Ist denn das für dich quälend?« Kreß erwiderte ruhiger: »Dann will ich dir auch etwas sagen, Gerda, dir ist’s einerlei, warum der Mensch in Gefahr ist, einerlei, wer er selbst ist – das ist dir alles vollständig einerlei. Die Gefahr ist dir die Hauptsache. Ob’s eine Flucht ist oder ein Autorennen, da lebst du auf. So warst du, so bist du.« – »Du hast halb recht, halb unrecht. Ich war vielleicht früher einmal so, vielleicht bin ich’s jetzt wieder geworden. Willst du wissen, wodurch?« Sie wartete einen Augenblick. Ob der Mann alles zu wissen wünschte oder viel lieber gar nichts, sie fuhr entschlossen fort: »All die Zeit über hast du gesagt, dagegen hilft nichts, dagegen kann man nicht aufkommen, man muß abwarten. Abwarten, hab ich bei mir gedacht, er will abwarten, bis man alles zertrampelt hat, was ihm teuer war. Also

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