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Das siebte Kreuz

Das siebte Kreuz

Titel: Das siebte Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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Ja? Für Sie ist die Ehe mit einem Lumpen etwas Heiliges?«
     
    »Das weiß man nie im voraus, ob einer ein Lump bleibt«, sagte Mettenheimer leise.
     
    Der junge Mensch betrachtete ihn eine Weile, dann sagte er: »Sie haben Ihr Taschentuch in die linke Rocktasche gesteckt.« Er schlug plötzlich auf den Tisch. Er sagte laut: »Wie haben Sie denn Ihre Tochter erzogen, daß sie einen solchen Spitzbuben nimmt?«
     
    »Herr Kommissar, ich habe fünf Kinder erzogen. Sie haben mir alle Ehre gemacht. Der Mann meiner ältesten Tochter ist Sturmbannführer. Mein ältester Sohn –«
     
    »Ich habe Sie nicht nach Ihren anderen Kindern gefragt. Ich frage Sie jetzt nach Ihrer Tochter Elisabeth. Sie haben es zugelassen, daß Ihre Tochter diesen Heisler heiratet. Sie haben Ende vorigen Jahres Ihre Tochter selbst nach Westhofen begleitet.«
     
    In diesem Augenblick wußte Mettenheimer, daß er doch noch etwas bei sich hatte, das Letzte für den äußersten Fall, seinen eisernen Bestand. Er erwiderte völlig ruhig: »Das ist ein schwerer Weg für eine junge Frau.« Er dachte: Dieser junge Mensch ist so alt wie mein jüngster Sohn. Wie spricht der eigentlich mit mir? Was maßt er sich an?
     
    Der junge Mensch muß Pech mit seinen Eltern gehabt haben, auch mit seinen Lehrern muß er Pech gehabt haben … Seine Hand auf dem linken Knie fing freilich wieder zu zittern an. Er setzte aber gleichwohl ruhig hinzu: »Das war meine Pflicht als Vater.«
     
    Einen Augenblick war es still. Mettenheimer sah stirnrunzelnd auf seine Hand, die weiterzitterte.
     
    »Zu dieser Pflicht werden Sie kaum Gelegenheit mehr haben, Herr Mettenheimer.« Da fuhr Mettenheimer hoch. Er rief: »Ist er tot?«
     
    Wenn das Verhör auf diesen Punkt angelegt worden war, dann mußte der Kommissar enttäuscht sein. Unverkennbar war in der Stimme des Tapezierermeisters der Grundton aufrichtiger Erleichterung. Wirklich, der Tod dieses Burschen hätte alles auf einmal erledigt. Seltsame Pflichten, die sich der Tapezierer selbst in den wenigen, aber entscheidenden Augenblicken seines Lebens auferlegt hatte, und die bald schlauen, bald quälenden Versuche, diesen Pflichten doch zu entschlüpfen.
     
    »Warum meinen Sie denn, daß er tot ist, Herr Mettenheimer?«
     
    Mettenheimer stotterte: »Sie haben gefragt – ich mein ja nichts.«
     
    Der Kommissar sprang auf. Er beugte sich weit über den Tisch. Dann war sein Tonfall ganz sanft: »Warum, Herr Mettenheimer, nehmen Sie an, daß Ihr Schwiegersohn tot ist?«
     
    Der Tapezierer packte seine linke zuckende Hand mit der rechten zusammen. Er erwiderte: »Ich nehme gar nichts an.« Seine Ruhe war hin. Gedanken anderer Art zerstörten ihm jede Hoffnung, von diesem Burschen, dem Georg, endgültig befreit zu sein. Es fiel ihm jetzt ein, daß sie solche hartnäckigen jungen Burschen, wenn es wahr war, was man erzählte, über alle Maßen quälten, daß sein Tod unvorstellbar schwer gewesen war. Mit solchen Stimmen verglichen, war die gepreßte knappe Stimme des Kommissars die gewöhnliche Stimme eines belanglosen Mannes, der sich irgendein Amt anmaßt. »Sie müssen doch einen Grund gehabt haben, anzunehmen, daß dieser Georg Heisler verstorben ist?« Er brüllte plötzlich: »Machen Sie hier keine Flausen, Herr Mettenheinier.«
     
    Der Tapezierer war zusammengefahren. Jetzt drückte er die Zähne zusammen und sah den Kommissar stumm an.
     
    »Ihr Schwiegersohn war doch ein kräftiger junger Mann ohne besondere Krankheit. Da müssen Sie doch für Ihre Behauptung einen Anhaltspunkt haben?«
     
    »Ich habe ja nichts behauptet.« Der Tapezierer war wieder ruhig geworden. Er hatte sogar seine linke Hand losgelassen. Und wenn er nun mit der rechten Hand diesem jungen Menschen ins Gesicht schlug, was dann? Der würde ihn auf der Stelle niederknallen. Das Gesicht rot angelaufen mit einem weißlichen Fleck, wo seine, des Tapezierers Hand gesessen hatte. Zum erstenmal seit seiner Jugend entsprang seinem alten schweren Kopf so ein tollkühner, auf der Erde undurchführbarer Ablauf. Er dachte: Ja, wenn ich keine Familie hätte! Er unterdrückte ein Lächeln, indem er sich mit der Zunge seinen Schnurrbart fischte. Der Kommissar starrte ihn an. »Jetzt hören Sie einmal genau zu, Herr Mettenheimer. Auf Grund Ihrer eigenen Aussagen, mit denen Sie unsere eigenen Beobachtungen bestätigen, in einigen wichtigen Punkten sogar ergänzen, möchten wir Sie warnen. Wir möchten Sie warnen in Ihrem Interesse, Herr Mettenheimer, im

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