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Das siebte Kreuz

Das siebte Kreuz

Titel: Das siebte Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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Böppchen.« Dem Georg seine rief zurück: »Gut Nacht, scheeler Gigl.« Als sie aufschloß, rief der Kleine: »Mach’s gut.« Sie rief: »Maul, Goebbelschen.«
     
    »Soll das ein Bett vorstellen?« sagte Georg. Jetzt fing sie aber furchtbar zu schimpfen an. »Geh in den Englischen Hof, in die Kaiserstraße –« – »Nun sei mal still«, sagte Georg, »hör mal zu. Ich hab da was gehabt, und es geht dich überhaupt nichts an, was. Das war für mich ein Kummer. Ich hab seitdem kein Äug zugetan. Wenn du das fertigbringst, daß ich mal einschlaf, dann kannst du von mir ja allerlei haben, da laß ich was springen und hab was zum Springenlassen.« Sie sah ihn erstaunt an. In ihren Augen glühte es auf, wie wenn man in einen Totenkopf ein Licht steckt. Dann erklärte sie mit größter Entschiedenheit: »Abgemacht.«
     
    Dann wurde nochmals an die Tür gebumst. Der Kleine steckte seinen Kopf herein. Sah sich um, als hätte er was liegenlassen. Sie lief hin und schimpfte, hörte aber plötzlieh im Schimpfen auf, weil er sie - nur mit den Brauen – herauswinkte.
     
    Georg hörte sie alle fünf hinter der Tür durcheinanderflüstern, angestrengt leise, dadurch ganz scharf. Trotzdem verstand er kein Wort: ein Gezische, das plötzlich abriß. Er griff sich an den Hals. Hatte sich denn das Zimmer verengt, seine vier Wände, Decke und Fußboden ineinandergeschoben? Er dachte: Weg von hier.
     
    Da kam sie schon zurück. Sie sagte: »Guck mich doch nicht so brummelig an.«
     
    Sie tippte ihm ans Kinn.
     
    Er schlug ihre Hand zurück.
     
    Dann aber, welch ein Wunder, hatte er wirklich geschlafen. Stunden, Minuten? Hatte Löwenstein den Wasserkran zum drittenmal aufgedreht in verzweifelter Unschlüssigkeit? Georgs Bewußtsein kommt langsam zurück. Mit dem Bewußtsein werden jetzt gleich verrückte Schmerzen kommen, an fünf, sechs Stellen seines Körpers. Aber er fühlte sich immer weiter erstaunlich frisch und heil. Er hatte also wahrhaftig geschlafen. Ich werde ihr, dachte er, alles schenken, was ich habe. Wodurch war er eigentlich aufgewacht? Das Licht war doch ausgeknipst. Nur das Laternenlicht aus dem Hof fiel durch das kleine Fenster über dem Kopfende des Bettes. Wie er sich aufsetzte, setzte sich auch sein Schatten riesig groß vor die gegenüberliegende Wand. Er war allein. Er horchte und wartete. Es kam ihm auch vor, als höre er ein Geräusch auf der Treppe; schwaches Knarren von bloßen Füßen oder von einer Katze. Er fühlte sich unsagbar beklommen im Angesicht seines Schattens, der riesenhaft in die Decke wuchs. Auf einmal zuckte der Schatten zusammen, als ob er sich auf ihn stürzen wollte. Ein Blitz in seinem Gehirn: Vier Para scharfe Augen in seinem Rücken, als er vorhin heraufging. Der Kopf des Kleinen in der Türspalte. Winken mit den Brauen. Gewisper auf der Treppe. Er sprang auf das Bett und aus dem Fenster in den Hof. Er fiel auf einen Haufen von Kohlköpfen. Er stampfte weiter, schlug eine Scheibe ein, obwohl es zwecklos war, der Riegel hätte weit rascher nachgegeben. Er schlug etwas nieder, was ihm in den Weg kam, sekundenlang später spürte er erst: eine Frau. Er prallte mit einem Gesicht zusammen, zwei Augen, die in die seinen hineinglotzten, ein Mund, der in den seinen brüllte. Sie wälzten sich auf dem Pflaster, als hätten sie sich vor Grauen ineinandergeklammert. Er lief im Zickzack über den Platz in eine der Gassen, die plötzlich die Gasse war, in der er vor Jahren glücklich gelebt hatte. Und wie im Traum erkannte er ihre Steine und selbst den Vogelkäfig über der Schusterwerkstatt und hier die Tür in den Hof, durch die man in andere Höfe gelangt und von dort aus in das Baldwinsgäßchen. Wenn aber die Tür jetzt verschlossen ist, dachte er, dann ist alles fertig. Die Tür war verschlossen. Doch was besagte eine verschlossene Tür, da das ihm stemmen half, was ihm im Rücken saß. Das war ja alles nach alten ungültigen Kräften gemessen. Er lief durch die Höfe und schnaufte in einer Haustür und horchte, hier war noch alles still. Er schob den Riegel zurück. Er trat auf das Baldwinsgäßchen. Er hörte die Pfiffe, doch immer erst auf dem Antonsplatz. Er lief wieder durch ein Gewirr von Gassen. Jetzt war es auch wieder wie im Traum, ein paar Stellen waren geblieben, ein paar waren ganz verändert. Da hing noch die Mutter Gottes über dem Tor, doch daneben brach die Gasse ab, da war ein fremder Platz, den er gar nicht kannte. Er lief über den fremden Platz in ein Gewimmel von

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