Das siebte Tor
dachte.
»Verstärkung ist bereits unterwegs«, versicherte
der Herr in Schwarz mit einem aufmunternden Lächeln. »Und unsere
Schlangenvettern rechnen nicht damit, uns hier zu finden; sie werden
eine unangenehme Überraschung erleben. Mit vereinten Kräften können wir sie
geraume Zeit zurückhalten. Solange es nötig ist«, fügte er mit einem seltsamen
Blick auf Alfred hinzu.
»Was soll das heißen?« fragte dieser beunruhigt.
Der Herr in Schwarz legte ihm die Hand auf den
Arm und sah ihm forschend ins Gesicht. Die Augen des Drachen waren blaugrün
wie der Himmel von Pryan, wie das Wasser Chelestras. »Denk daran, Coren, das
Licht der Hoffnung scheint in das Labyrinth. Und es wird weiterscheinen,
obwohl das Tor geschlossen ist.«
»Du versuchst, mir etwas zu sagen, habe ich
recht? Rätsel, Prophezeiungen! Damit kann ich nichts anfangen!« Alfred
schwitzte. »Warum sagst du mir nicht, was ich tun soll?«
»Auch der Gutwilligste befolgt nur selten einen
Rat«, sagte der Herr in Schwarz. »Laß dich von deiner inneren Stimme leiten.«
»Meine innere Stimme rät mir gewöhnlich, in Ohnmacht
zu fallen«, protestierte Alfred. »Du erwartest von mir, daß ich etwas
Großartiges und Heroisches tue, aber dafür bin ich nicht der Richtige. Ich gehe
nur nach Abarrach, um einem Freund zu helfen.«
»Natürlich«, sagte der Herr in Schwarz leise,
seufzte und wandte sich ab.
Marit hörte den Seufzer in ihrer Seele
widerhallen und dachte an das gespenstische Wispern der lebenden Toten von
Abarrach.
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Kapitel 8
Nekropolis,
Abarrach
Abarrach – Welt aus Feuer, Welt aus Stein, Welt
der Toten und der Sterbenden.
In einem Verlies in den Katakomben von
Nekropolis, tote Hauptstadt einer toten Welt, lag Haplo im Sterben.
Er ruhte auf einer steinernen Bank, den Kopf auf
Stein gebettet. Es war kein bequemes Lager, aber Haplo merkte es nicht. Die
Schmerzen, die ihn gepeinigt hatten, waren vergangen. Er fühlte nichts, außer
dem Brennen bei jedem mühsamen Atemzug. Er fürchtete sich ein wenig vor dem
Atemzug, der sein letzter sein würde, dem Röcheln, dem krampfhaften Ringen nach
Luft, qualvoll, wie damals auf Chelestra, als er zu ertrinken glaubte.
Das Wasser Chelestras hatte ihn atmen lassen,
aber diesmal würde kein Wunder geschehen. In Gedanken malte er sich aus, wie er
sich aufbäumte, gegen die Dunkelheit ankämpfte – ein schrecklicher Kampf, doch
gnädigerweise kurz.
Und sein Gebieter war hier, an seiner Seite.
Haplo war nicht allein.
»Dies ist nicht einfach für mich, mein Sohn«,
sagte Xar.
Er meinte seine Worte nicht sarkastisch oder
ironisch. Seine Trauer war echt. Während er zusammengesunken neben Haplos
hartem Lager saß, sah man ihm zum ersten Mal sein hohes Alter an. In seinen
Augen glänzten ungeweinte Tränen.
Xar hätte Haplo töten können, doch er tat es
nicht.
Xar hätte Haplos Leben retten können, aber er
tat auch das nicht.
»Du mußt sterben, mein Sohn«, sagte Xar. »Ich
wage nicht, dich leben zu lassen. Ich kann dir nicht trauen. Du bist für mich
tot wertvoller als lebend, deshalb muß ich dich sterben lassen. Aber töten kann
ich dich nicht. Ich habe dir das Leben gerettet, und das gibt mir das Recht, es
dir auch wieder zu nehmen, aber ich bringe es nicht über mich. Du warst einer
der Besten. Und ich liebte dich. Ich liebe dich noch. Ich würde dich retten,
wenn nur… wenn nur…«
Xar ließ den Satz unvollendet.
Haplo sagte nichts, erhob keine Einwände, flehte
nicht um sein Leben. Er wußte, welchen Schmerz sein Gebieter über sein Sterben
empfand, und wußte, wenn es einen anderen Weg gäbe, würde Xar ihn verschonen.
Doch es gab keinen anderen Weg. Der Fürst des Nexus konnte seinem ›Sohn‹ nicht
länger trauen. Haplo würde ihn bekämpfen, bis er – wie jetzt – keine Kraft mehr
hatte, um den Kampf fortzuführen.
Xar hätte ein Narr sein müssen, Haplo seine
Stärke wiederzugeben. Als Toter war Haplo sein williger Sklave, solange er
lebte, würde er sich ihm nie und nimmer beugen.
»Es gibt keinen anderen Weg«, sagte Xar. Wie so
oft war sein Gedankengang der gleiche wie Haplos. »Ich muß dich sterben lassen.
Du verstehst mich, mein Sohn, ich weiß es. Du wirst mir im Tode dienen, wie du
es im Leben getan hast. Nur besser. Nur besser.«
Der Fürst des Nexus seufzte. »Dennoch fällt es
mir nicht leicht. Auch das verstehst du, nicht wahr, mein Sohn?«
»Ja«, wisperte Haplo. »Ich verstehe.«
Und so warteten
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