Das siebte Tor
hier. Oder?
Menschen – fremde Menschen – bewegten sich im
Gang vor der dunklen Zelle, in der der Hund Zuflucht gesucht hatte. Diese
Menschen suchten nach ihm, pfiffen, riefen, lockten. Dem Hund stand nicht der
Sinn nach Menschen, andererseits waren sie vielleicht in der Lage, seinem Herrn
zu helfen. Schließlich waren sie von seiner Art. Und früher waren einige von
ihnen sogar Freunde gewesen.
Jetzt nicht mehr, offenbar.
Das unglückliche Tier winselte leise, um
kundzutun, daß es sich unglücklich fühlte, einsam und verlassen. Haplos
Stimme befahl dem Hund barsch, still zu sein. Und kein kameradschaftliches
Streicheln über den Kopf, das den Tadel linderte und ausdrückte: »Ich weiß, du
verstehst nicht, aber du mußt gehorchen.«
Der einzige Trost – sofern man es als Trost
bezeichnen konnte – bestand darin, daß der Hund am Tonfall seines Herrn
merkte, auch Haplo war unglücklich und verwirrt und fürchtete sich. Er schien
ebensowenig zu wissen, was das alles zu bedeuten hatte. Und wenn der Herr Angst
hatte…
Den Kopf auf die Vorderpfoten gebettet, lag der
Hund im Dunkeln auf dem feuchten Steinboden einer Zelle und fragte sich, was er
tun sollte.
Xar saß in seiner Bibliothek, das Sartanbuch der
Nekromantie neben sich auf dem Pult, aber ungeöffnet, ungelesen. Wozu auch? Er
kannte es auswendig, jedes einzelne Wort.
Der Fürst griff nach einem der rechteckigen
Runensteine, die auf seinem Schreibtisch lagen. Müßig, tief in Gedanken
versunken, drehte er den Stein zwischen den Fingern und tippte abwechselnd mit
der einen, dann mit der anderen Seite auf die Tischplatte aus Kairngras. Ganz
allmählich geriet er in einen tranceähnlichen Zustand. Sein Körper – bis auf
die Hand mit dem Runenstein fühlte sich schwer und taub an, zu keiner Bewegung
fähig, wie vom Schlaf gelähmt. Doch er wußte, er schlief nicht.
Xar war ratlos, absolut, vollkommen ratlos. Niemals
zuvor hatte er vor einem derart unüberwindlichen Hindernis gestanden. Er wußte
nicht, was tun, wohin sich wenden. Seine anfängliche Wut hatte sich in schwelende
Enttäuschung verwandelt, und nun war er in dumpfes Brüten verfallen.
Der Hund konnte überall sein. Eine Legion
Tytanen vermochte sich in diesem unterirdischen Kaninchenbau zu verbergen, ohne
je gefunden zu werden, erst recht ein einzelner Köter. Und angenommen, ich
finde ihn? Während Xar grübelte, drehte er unablässig den Runenstein zwischen
den Fingern. Was dann? Ihn töten? Wurde dadurch Haplos Seele gezwungen, in den
Körper zurückzukehren? Oder erlischt sie mit der Lebensflamme des Tieres, und
Haplo ist für mich verloren – ein nutzloser Kadaver?
Und wie ohne ihn das Siebte Tor finden? Ich muß
das Siebte Tor finden! Bald. Mein Volk kämpft und stirbt im Labyrinth. Ich habe
es versprochen… Ich habe versprochen, zu ihrer Rettung zu kommen…
Xar schloß die Augen. Er war ein Mann der Tat,
gewohnt zu kämpfen und zu siegen, und nun sah er sich dazu verurteilt, an
einem Schreibtisch zu sitzen und zu warten. Denn es gab nichts, was er hätte
tun können. Er wälzte das Problem in Gedanken hin und her, betrachtete es von
allen Seiten.
Nichts.
Wie ist es möglich, daß ich so weit vom Wege
abgekommen bin?
Scheitern… er würde scheitern…
»Mein Fürst.«
Xar kehrte mit einem Ruck in die Wirklichkeit
zurück. Der Runenstein fiel aus seiner Hand.
»Ja, was ist?« fragte er barsch. Hastig schlug
er das Buch auf und gab vor, zu lesen.
Ein Patryn trat ein und wartete in respektvollem
Schweigen darauf, daß Xar geruhte, ihm sein Ohr zu leihen.
Der Fürst gestattete sich noch einen weiteren Moment,
um seine Gedanken zu sammeln, dann hob er den Blick.
»Welche Neuigkeiten bringst du? Habt ihr den
Hund gefunden?«
»Nein, Gebieter. Man hat mich geschickt, um Euch
zu melden, daß das Todestor in Abarrach geöffnet wurde.«
»Jemand ist gekommen.« Xar fühlte sich neu
belebt. Er ahnte, was er hören würde. »Marit!«
»Ja, Gebieter.« Der Bote sah ihn bewundernd an.
»Ist sie allein? Wer begleitet sie?«
»Sie kam an Bord eines Schiffes – Eures
Schiffes, Gebieter. Aus dem Nexus. Ich habe die Runen erkannt. Zwei Männer
sind bei ihr. Einer von ihnen ist ein Nichtiger.«
Xar winkte gleichgültig ab.
»Der andere ist ein Sartan.«
»Ah!« Leicht zu erraten, um welchen Sartan es
sich handelte. »Groß und mager, schütteres Haar, unbeholfen?«
»Ja, Gebieter.«
Xar rieb sich die Hände. Vollendet,
Weitere Kostenlose Bücher