Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
in die Richtung und erstarrte. Hinter Fenn hatte sich aus dem Unterholz ein mächtiger Krieger erhoben. Er hielt einen Krummsäbel in den Pranken und wankte auf Fenn zu, der sich vor Entsetzen kaum rühren konnte. Er hatte den Krieger wohl übersehen und war an ihm vorbei gelaufen, sodass der Gredow in seinen Rücken gelangt war. Mit offenem Mund starrte er den fürchterlichen Gegner an.
»Lauf!«, schrie Osyn. »Worauf wartest du?!«
Doch Fenn regte sich nicht.
»Stirb, du verfluchter Madenwurm!« Ein blechernes Lachen ertönte aus dem Helm des Kriegers. Er holte mit dem Krummsäbel aus.
Osyn riss den Com hoch und richtete die Spitze auf den Gredow. »Yrd!«
Ein Feuerstrahl schoss aus dem roten Kristall hervor. Er zischte zwischen den Bäumen hindurch, traf den Schwertarm des Kriegers und verwandelte ihn augenblicklich in einen Stumpf aus verbranntem Fleisch und Knochen. Der Säbel entglitt der verkohlten Hand und fiel auf den Waldboden. Der Gredow brüllte vor Schmerz und Überraschung auf, dann sackte er auf die Knie. Er glotzte ungläubig auf die Stelle, wo sich vor wenigen Momenten noch sein Arm befunden hatte. Auch Fenn schaute mit Grauen auf den verletzten Krieger, während er allmählich wieder zu sich fand.
Osyn atmete schwer. Der magische Angriff hatte ihn derart geschwächt, dass er taumelte. Er wurde alt, und er wusste es. Fenn stolperte zu ihm herüber. »Meister Osyn ...«
»Du musst dich beeilen, wenn du die Brücke noch erreichen willst!«
Der junge Mann blickte ihn verständnislos an. »Was ist mit Euch?«
»Ich habe keine Kraft. Das ist der Preis, den man für die Magie zahlen muss. Lauf los!«
»Aber Ihr könnt unmöglich ...«
»Mach dir um mich keine Sorgen. Ich komme schon zurecht.«
Inzwischen war der verwundete Gredow-Krieger wieder auf die Beine gekommen. Sein Atem ging rasselnd, als er auf Osyn und Fenn zuwankte. In der Linken hielt er den Säbel, den er vom Boden aufgenommen hatte. Der alte Comori konnte die roten Augen unter dem Helm glühen sehen.
Fenn beugte kurz entschlossen die Knie. »Schnell, steigt auf meinen Rücken! Ich bin stark genug, um Euch zu tragen!«
Osyn zögerte. Mit der zusätzlichen Last wäre der junge Mann vielleicht zu langsam.
»Meister Osyn!«, drängte Fenn, der immer noch vor ihm kniete, während der Gredow nur noch wenige Schritte von ihnen entfernt war.
»So denn!«, brummte Osyn. Er kletterte auf den Rücken des jungen Mannes. Fenn erhob sich und begann mit seiner Last den Hügel hinaufzueilen, während der Gredow knurrend die Verfolgung aufnahm. Er war im Kampf trainiert und ausdauernd und würde seine Beute auf keinen Fall entkommen lassen, so viel war den beiden Flüchtenden klar. Mit jedem Schritt kam er näher.
»Er ist verdammt schnell«, keuchte Fenn. »Könnt Ihr nicht noch einen Feuerzauber aussenden und ihn damit töten?« »Meine Kräfte sind nicht mehr wie früher«, sagte Osyn resigniert. »Für einen weiteren Zauber dieser Art muss ich mich erst erholen. Außerdem verbietet das Erste Gesetz der Magie, meine Macht zum Schaden anderer anzuwenden. Wenn ich es dennoch tue, habe ich die Folgen zu tragen – so wie jetzt.«
»Er wird uns umbringen!«, rief Fenn. Er stolperte über einen Felsen und konnte gerade noch einen Sturz abfangen. Das stoßweise, schwere Atmen des Gredows folgte ihnen. Der Krieger schien zwar geschwächt von seiner großen Verletzung, aber er machte keine Anstalten, aufzugeben.
Endlich erreichten sie den höchsten Punkt des Hügels. Von hier aus konnten sie auf die steilen Felswände einer Schlucht hinabschauen. Tannen und Kiefern, die an ihren Kanten wuchsen, verliehen ihr ein düsteres Aussehen. Über dem schwindelerregenden Abgrund spannte sich eine schmale Hängebrücke. Von tief unten drang das mächtige Rauschen des Muren-Flusses herauf, der hier seinen Anfang nahm. Auf der Mitte der Brücke waren die Gestalten Chems und Hergans zu erkennen, die auf das Erscheinen der Gredows warteten, um sie über den Abgrund zu locken.
»Der Abstieg wird dir leichter fallen, mein Sohn«, versuchte Osyn Fenn aufzumuntern.
»Dem Gredow ebenso«, gab der trocken zurück. »Haltet Euch fest!« Er sprang über die Hügelkuppe und begann den Abhang hinabzurutschen. Steine und Geröll lösten sich unter seinen Stiefeln und verwandelten sich in eine Lawine, die ihn fast mit sich riss. Der Verfolger stürzte sich hinterher und lockerte weitere Gesteinsbrocken, die in einer Staubwolke nach unten polterten. Sie sprangen
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