Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
hervorgetreten – Hergan und Chem, der Dorfvorsteher. Letzterer hatte es sich nicht nehmen lassen, an Osyns gefährlichem Plan teilzunehmen; nachdem er die Zerstörung des Dorfes miterlebt hatte, wollte er nun alles tun, um den Gredows Einhalt zu gebieten.
Hergan, die Tochter des Wirts, trug Hosen und Stiefel wie ein Mann, damit sie schnell laufen konnte, wenn es darauf ankam. Als sie die Gredows erblickte, warf sie in gespieltem Schrecken die Arme in die Luft und schrie: »Sie haben uns entdeckt, Belgon, steh uns bei! Flieht, Leute, vielleicht schaffen wir es noch bis zur Schlucht!«
Damit wandte sie sich um und rannte davon. Chem folgte ihr dicht auf dem Fuß.
Das war Osyns Signal. Er schloss die Augen und beschrieb mit dem Zeigefinger einen kleinen Bogen in der Luft, während er eine magische Formel flüsterte. Überall lösten sich von den Bäumen schattenhafte Gestalten, die plötzlich in einiger Entfernungvor den Gredows auftauchten. Es sah aus, als renne eine ganze Schar von Flüchtenden unter der Führung von Hergan und Chem durch den Wald.
»Ihnen nach!«, brüllte der Kommandant. Die Gredows nahmen die Verfolgung der Dorfbewohner auf. Ihre Rüstungen klirrten im Takt ihrer schweren Schritte. Auch der Krieger, der vor dem Versteck Osyns und Fenns stand, packte sein Schwert fester und folgte seinen Kameraden.
Die Schemen tauchten mal hier, mal dort vor ihnen auf, sie flackerten zwischen den Stämmen. Es waren viele. Sobald die Krieger näher kamen, lösten sie sich auf, um kurz darauf an anderen Stellen zu erscheinen. Dabei folgten sie der Richtung, die Hergan und Chem eingeschlagen hatten. All dies geschah so schnell, dass die Verfolger gar nicht dazu kamen, die Schemen als das Blendwerk zu durchschauen, das sie waren. Die Gredows rannten ihnen hinterher, in der irrigen Meinung, die Bewohner Esgalins zu verfolgen.
Als sich ihre Rufe und Schreie im Wald entfernten, krochen Osyn und Fenn mühsam aus ihrem Versteck. Ihre Kleider waren von den Dornen aufgerissen, und sie trugen Schrammen im Gesicht, doch sonst waren sie wohlauf.
»Bis jetzt läuft alles nach Plan«, sagte Fenn. »Ich gebe zu, dass ich es nicht für möglich gehalten hätte, dass Eure Zauberei die Gredows in die Irre führt.« Er hatte einen Teil seiner Selbstsicherheit zurückgewonnen.
»Nun sind wir in ihrem Rücken. Wir müssen dafür sorgen, dass keiner zurückbleibt und sie Hergan und Chem zur Schlucht folgen«, sagte Osyn. »Niemand darf einen anderen Weg einschlagen. Sobald du bemerkst, dass sich ein Gredow von den anderen absondert, zeig dich ihm und locke ihn wieder in die richtige Richtung. Alle Soldaten müssen sich beimEingang der Schlucht versammeln, wenn mein Plan aufgehen soll. Hoffen wir nur, dass sie unserem Köder folgen. Bist du bereit?«
Fenn nickte.
»Dann los!«
Sie trennten sich. Fenn verschwand rechter Hand im Gebüsch, während Osyn in die andere Richtung lief. Der alte Comori war kein schneller Läufer mehr, aber seine magischen Fähigkeiten würden ihm einen gewissen Vorteil verschaffen, wenn es darauf ankam.
Er brauchte nur dem Geschrei der Gredows zu folgen, um zu wissen, dass sie sich immer noch auf die Schlucht zubewegten. Wenn alles wie geplant verlief, würden sie dort ihr Schicksal finden.
Osyn schnaufte voran, den Zauberstab mit dem roten Com-Stein fest in der Hand. Seine kurzen Beine trugen ihn mehr schlecht als recht über die Wurzeln und Steine. Mehrmals fluchte er über sein fortgeschrittenes Alter. Früher, als er jung war, hätte ihm dieser Lauf nichts ausgemacht.
Er hielt kurz inne, um Luft zu holen. Die Schlucht, auf die sie sich zubewegten, war keine zweihundert Yard mehr entfernt. Als Osyn nach rechts schaute, konnte er Fenns Gestalt zwischen den Baumstämmen erkennen. Der junge Mann bewegte sich vorsichtig voran, immer bemüht, die Schar der Gredows im Blickfeld zu haben und zu erkennen, ob einer von ihnen vom Weg abwich. Doch bis jetzt marschierten alle geschlossen. Osyns Trugbilder und die beiden Dorfbewohner führten sie immer näher an den Rand der Schlucht. Bald schon konnte man das Tosen des Wassers hören.
Nun mussten sich Osyn und Fenn beeilen, um vor den Kriegern auf die Hängebrücke zu gelangen. Sie bildete den einzigenWeg über die Schlucht auf die andere Seite. Der alte Comori beschleunigte seine Schritte, um einen Hügel zu erklimmen, der den Weg dorthin verkürzte. Plötzlich erscholl ein wütendes Grollen von rechts, wo eben noch Fenn zu sehen gewesen war.
Osyn schaute
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