Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
trieb. Daneben standen Zahlen.
»Nun, mein Schüler?«
»Es scheint, wir haben endlich gefunden, wonach wir suchen«, sagte der Diener des Todesfürsten, und Befriedigung schwang in seiner Stimme. »Dies ist die gültige Karte, ohne Zweifel. Monats- und Jahresangaben sind erst vor kurzem eingetragen worden. Wenn es uns nun gelingt, die genaue Position der Stadt zu bestimmen, wird dies der Tag sein, an dem Algarads Schicksal entschieden wird.«
»Gut«, meinte Achest gedehnt, als ergötze er sich an dieser Nachricht. »Sieh zu, dass dir weiterhin keine Neuigkeiten entgehen. Sobald du erfährst, dass sich der Standort der Festung auf dem Meer ändern könnte, musst du ins Archiv zurückkehren und ihn erneut herausfinden. In der Zwischenzeit werde ich dich in die Kunst der Schutzzauber einführen und dich lehren, wie man sie durchbricht. So kannst du dort beim nächsten Mal ohne Gefahr eindringen und die Schriften studieren.«
»Sehr wohl, mein Fürst.« Der Schüler verneigte sich und legte die Schriftrolle behutsam zurück in ihre Halterung. Sofort strahlte wieder die rote Lichtkugel auf, während die Fackeln im Raum erloschen. Der Schüler blickte ein letztes Mal in die Kristallkugel. Der Meister vollführte eine knappe Geste, als entließe er seinen Schüler mit einem schwarzen Segen aus seiner Gegenwart.
Schattengleich begab sich der Eindringling über den schwebenden Steg zurück zum Ausgang und verschwand lautloszwischen den Regalen und Büchern. Alles im geheimen Archiv schien wie vorher, und selbst das dumpfe Summen des Glockentons kündete von nichts anderem.
19
Der Wind vor den Kerr-Inseln frischte weiter auf, und das Segel des alten Kahns blähte sich knarrend. Pfeilschnell glitt das Boot der Flüchtenden über das Wasser. Die Pirateninsel verschwand langsam am Horizont.
Eilenna saß am Bug bei Urisk und starrte angespannt in die Ferne. Harrid fühlte sich ganz in seinem Element und hatte das Steuer in die Hand genommen. »Ich kann es nicht aus stehen, das Ruder auf See jemand anderem zu überlassen. Also lasst mir die Freude, ich bin immerhin mal Kapitän gewesen.« Seine Laune besserte sich mit jeder Seemeile, die sie zurücklegten.
Linker Hand sahen sie mehrere Inseln verschiedener Größe vorbeiziehen. Wie die Hauptinsel der Piraten waren sie karstig und nur spärlich bewachsen, oftmals nur eine Ansammlung von Felsen im Wasser.
Chast spähte immer wieder sorgenvoll zurück, als erwarte er, jeden Augenblick ein Segel der Piraten auftauchen zu sehen. Tenan lehnte sich über die Bordwand und schaute nach unten. »Das Wasser ist nicht sehr tief«, stellte er fest. »Können die Piratenschiffe uns hier überhaupt verfolgen?«
»Für die große Fregatte ist es hier zu gefährlich, sie würde auflaufen«, erklärte Eilenna. »Das ist einer der Gründe, warum wir in diesem Gebiet segeln. Aber Erskryn besitzt ein paar schnelle Drachenboote mit flachem Kiel, die uns im Nu einholenwürden. Wenn sie uns aufspürten, hätten wir keine Möglichkeit zu entkommen.«
»Nicht in diesem Schiff«, stimmte ihr Tenan zu.
»Wenn es dir nicht passt, kannst du gern aussteigen«, gab sie schlagfertig zurück.
Sie kreuzten vor dem Wind und erreichten gegen Mittag die letzte der Kerr-Inseln. Hier gab Eilenna die Weisung, nach Norden zu halten.
»Wir verlassen jetzt die sicheren Gewässer und fahren aufs offene Meer hinaus.«
»Und machen uns zur Beute für die Harg-Fische«, murmelte Harrid. Ihm war nicht wohl bei der Vorstellung, auf einem so kleinen Schiff über den Ozean zu segeln.
»Es wird schon nichts passieren«, sagte Eilenna leichthin. »Wie ich schon sagte, bin ich bereits öfter zu den Kuppelinseln gesegelt. Wir sollten sie in zwei Tagen erreichen.«
Das war nicht sehr beruhigend, bedeutete es doch, zwei Tage und Nächte eingezwängt auf dem Boot verharren zu müssen. Sie würden auch des Nachts segeln und sich dabei an den Sternen orientieren; eine Aufgabe, für die nur Harrid, Tenan und Eilenna in Frage kamen, da weder Chast noch Urisk etwas von Navigation verstanden.
Wie Tenan befürchtet hatte, verging die Zeit langsam und zäh. Von Verfolgern war nichts zu sehen. Doch in der sternklaren Nacht, während sie abwechselnd Wache hielten und weitersegelten, überkam Tenan immer wieder das Gefühl, beobachtet zu werden. Er fühlte eine Präsenz irgendwo in der Nähe, als starrten Augen aus dem Himmel herab. Wenn er emporschaute, funkelten dort nur die Sterne. Tenan beschloss, den anderen nichts von
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