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Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Titel: Das Siegel der Finsternis - Algarad 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Reichard
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willst, bewege dich einfach an dem silbernen Lebensfaden entlang. Lass dich nun von deinem inneren Wissen leiten. Delinasté! «
    Tenan hatte keine Ahnung, wie er das anstellen sollte. Er wollte viele Fragen stellen, aber die Gestalten der Grauen wurden undeutlicher. Schon bald waren die einzelnen Wesen nicht mehr voneinander zu unterscheiden, sie verschmolzen zu einereinzigen Menge, die sich schließlich in der Finsternis auflöste.
    Tenan war allein. Der Weg zurück in seinen Körper stand ihm zwar jederzeit offen, aber irgendetwas bewog ihn, den Auftrag, den ihm die Grauen Flüsterer gegeben hatten, auszuführen.
    Unter ihm prasselte das Feuer, dessen Licht auf dieser Ebene des Seins gespenstisch und unwirklich wirkte. Er sah sich um. Wie sollte er den Raum der Stille in den verbleibenden Nachtstunden nur finden? Da kam ihm in den Sinn, was Osyn ihm früher beigebracht hatte: Die Gesetze und Regeln in den verschiedenen Sphären waren nicht die gleichen wie auf der Erde. »Der Geist ist frei und kann sich in Sekundenschnelle an jeden beliebigen Ort begeben, wenn man die richtige Technik beherrscht«, hatte sein Meister ihn gelehrt. »Der Magier muss offen sein für das Neue, Ungewöhnliche, und jederzeit darauf reagieren können. Es gibt viele Wege, die zum Ziel führen. Das ist die wahre hohe Kunst der Zauberei, gleichgültig, ob man die Kleine oder Große Magie gelernt hat. Es gibt keine Grenzen außer denen, die man sich selber setzt.«
    Tenan dachte nach. War es wirklich so einfach? Die Grauen Flüsterer schienen großes Vertrauen in seine Fähigkeiten zu haben. Er beschloss, die Probe aufs Exempel zu machen. Er konzentrierte sich auf den ominösen Raum der Stille, in dem das Buch liegen sollte. Irgendwo in diesen Hallen unter dem Meer musste er liegen. Das Buch des Meisters ... der Raum der Stille ... Er ließ die Worte seinen Geist erfüllen, versuchte eins mit ihnen zu werden, konzentrierte sich auf die Art und Weise, wie Osyn es ihm beigebracht hatte. Die Dimensionen des Raums um ihn herum traten in den Hintergrund seines Bewusstseins, verzerrten sich, zerflossen schließlich wie flüssigesGlas. »Atme gelassen weiter, bleib bei deinem Ziel«, hörte er Osyn aus einer fernen Vergangenheit Anweisungen geben. »Das Buch des Meisters ... der Raum der Stille.« Die Wiederholungen der Wörter waren alles, was seinen Geist erfüllte, das Einzige, das noch Bestand und Wirklichkeit für ihn hatte.
    Dann geschah es – eine unbekannte Macht riss ihn vorwärts durch die Felsen; sein Geist raste durch Hallen und Gänge, durchdrang Wände und Gestein mit Leichtigkeit. Er spürte die Gebeine der Erde, als sei er eins mit ihnen. Die endlose Ruhe und Festigkeit der Steine nahmen Besitz von ihm, offenbarten ihm die Geschichte der Jahrtausende. Eine Flut von Bildern sauste an seinem inneren Auge vorbei. All das dauerte nur einen Herzschlag, dann hüllte ihn wieder schwärzeste Dunkelheit ein. Tenan spürte, dass er sich weit von dem Lagerplatz entfernt hatte. Er brauchte ein paar Augenblicke, um sich zurechtzufinden. Die rasante Fahrt hatte seine Sinne durcheinandergebracht. Die Finsternis an diesem Ort war dichter als sonst im Labyrinth. Etwas unfassbar Böses lag in der Luft; es war eine jahrhundertealte Schwingung, nicht körperlich, kein Geistwesen, keine Person, dennoch spürbar.
    Er konnte nichts sehen. Bang konzentrierte er sich auf die Vorstellung einer Kerzenflamme, um Licht zu haben, und tatsächlich schimmerte eine solche bald zaghaft vor ihm auf und erhellte die Umgebung. Erstaunlich, wie gut er die magischen Anforderungen meisterte. Osyn wäre stolz auf ihn! Vielleicht war es aber auch nur die Wirkung des Erenloth, die seine magischen Kräfte verstärkte.
    Er befand sich in einem schmalen Raum. Die Wände standen so dicht beieinander, dass es fast wie ein Schacht wirkte. Ein rostiges Eisengitter bildete den Boden. Kalte Zugluft wehte von unten herauf. Überall lagen die sterblichen Überreste vongetöteten Kriegern und anderen, unbekannten Wesen im Staub der Jahrhunderte. Die Knochen ihrer Skelette stachen wie spitze Nadeln in die Luft. Manche waren auf seltsame Art ineinander verschlungen, als seien sie während eines Kampfes zur gleichen Zeit getötet worden, andere sahen aus, als seien sie mit dem Boden oder den Wänden verschmolzen. Dazwischen lagen die verrosteten Teile von Rüstungen, zerbrochene Schwerter, gespaltene Schilde und Helme. Etwas Furchtbares musste hier passiert sein.
    Ein einzelnes Podest

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