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Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Titel: Das Siegel der Finsternis - Algarad 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Reichard
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das schwere Stapfen seines Reittiers? Das Pochen stieg durch seine Beine empor und durchpulste seinen Körper, füllte ihn miteiner bleiernen Schwere. Eine drängende Müdigkeit erfasste ihn. Ein tiefes, dunkles Nichts breitete sich in seiner Seele aus, das auch das kleine Licht seines Stirnkristalls nicht durchdringen konnte.
    Plötzlich vernahm er ein leichtes Wispern und Flattern. Ihm war, als streiften zarte Flügel sein Gesicht. Tenan versuchte, etwas zu erkennen, doch er sah nur kleine Gestalten, die vor dem Strahl seines Leuchtkristalls davonhuschten. Sie sahen aus wie Schmetterlinge, Nachtfalter von beachtlicher Größe.
    Als er Dex darauf ansprach, lachte der nur. »Schmetterlinge? Nun, wenn dich der Gedanke beruhigt, dann nenne sie so. Vielleicht ähneln sie ihnen äußerlich, aber sie haben ein unschönes Merkmal: Mit ihren langen Rüsseln können sie Blut saugen. Aber seid unbesorgt, sie kommen nur, wenn man schläft.«
    Eilenna schrie entsetzt auf. »Wie abscheulich! Dir macht es Freude, uns Angst einzujagen.«
    »Ich warne dich«, bellte Harrid von hinten. »Wenn auch nur eines dieser verdammten Biester einen Tropfen von mir abzapft, während du Wache hältst, mache ich Fischfutter aus dir!«
    Nagender Hunger zeigte an, dass es Zeit für eine Rast war. Tenan konnte nicht sagen, wie lange sie geritten waren. Dex war bereit, ihnen eine Pause zu gönnen. Zu ihrer Verwunderung eröffnete er ihnen, dass es bereits spät in der Nacht war und sie nun schlafen würden.
    Sie stiegen von den Ykaliri, banden sie mit den Zügeln an einen Pfeiler und versorgten sie mit Futter, das sie in den Satteltaschen bei sich führten. Dex wies sie an, Efeuranken, Algen und weiße Schimmelgewächse zu sammeln, die überall zuhauf zu finden waren. Die Gewächse waren trocken und zerfielen teilweise zu Staub, sobald sie sie berührten, aber aus den dickeren Strängen konnte der Fisk-Hai ein Feuer entfachen. Sie setztensich auf eine Reihe umgestürzter, geborstener Säulen, die kreuz und quer auf dem Weg lagen, und drängten sich eng um die Flammen. Die Wärme tat ihnen gut. Sie aßen ein wenig von ihrem Proviant, der aus getrocknetem Fisch und ungesäuertem Brot bestand. Es schmeckte so staubig wie die Luft.
    Dex zündete sich nach dem Essen eine Pfeife an und schmauchte. Er grinste hämisch, als er bemerkte, wie Harrid sehnsüchtig zu ihm herüberschaute. Der Kapitän schnaubte und drehte sich weg. Immerhin vertrieb der Rauch die unheimlichen Nachtfalter.
    »Da ist noch etwas, das ich euch sagen muss, bevor ihr einschlaft«, sagte Dex und blickte die Gefährten durchdringend an. »Hütet euch vor dem Flüstern der Grauen! Sie kommen in der Nacht und dringen in eure Träume ein.«
    »Wer sind die Grauen?«, fragte Tenan.
    »Gespenster«, knurrte Dex, »Geister, was weiß ich. Sie leben seit Urzeiten im Labyrinth und sprechen zu den Reisenden. Lasst euren Geist nicht durch ihr Geschwätz verwirren, sonst werdet ihr wahnsinnig.«
    »Vielen Dank für die warnenden Worte«, sagte Eilenna sarkastisch. »Und was kann man tun, wenn sie einen belästigen?«
    »Nichts«, antwortete Dex ungerührt. »Oder wach bleiben. Versucht allenfalls, an etwas anderes zu denken. Ich werde über euch wachen, damit ihr keinen Schaden durch die Nachtflügler nehmt. Auf euren Verstand müsst ihr schon selbst aufpassen!«
    Sie hüllten sich in die Decken und legten sich auf den kalten Steinboden, um zu schlafen. Die Mäntel zogen sie bis über die Köpfe, um nicht von den schrecklichen, blutsaugenden Faltern angegriffen zu werden. Die Kristalllichter ließen sie brennen.
    Wie er angekündigt hatte, hielt der Fisk-Hai-Krieger Wache. Tenan beobachtete ihn eine Weile, wie er den feinen Fäden des Rauchs nachstarrte, die sich in der Halle verloren. Dann übermannte ihn der Schlaf.
    Unruhige Träume quälten ihn. Ihm war, als griffen unsichtbare Hände nach ihm, Hände aus grauem Licht, die zart über seinen Kopf strichen. Formlose Gesichter glitten vorbei, weiße Augen starrten in seine Seele. Aber sobald er versuchte, seinen Kopf zu heben und wacher zu werden, nahmen die Schwere und das bleierne Gefühl zu, und er versank in noch tiefere Schwärze. Und dann vernahm er ein Raunen wie von tiefen kehligen Stimmen, ein undeutliches Murmeln, das wie dicke, zähe Tropfen in seinen Geist sickerte. »Tu-dura ... Tu-dura ... Willkommen, Tenan von Esgalin.«
    Die Grauen Flüsterer!, durchzuckte es Tenan.
    Er versuchte sich zu bewegen, doch es wollte ihm nicht gelingen.

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