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Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Titel: Das Siegel der Finsternis - Algarad 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Reichard
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Tatsachen.«
    »Das kann ich nicht.« Die Wut, die Tenan noch kurz zuvor verspürt hatte, war in eine dunkle Höhle seines Bewusstseins zurückgewichen. Er war selbst überrascht von dem Gefühl, dass es unrecht wäre, seinen alten Meister jetzt zu verlassen.
    »Ich verstehe nicht, was dich an ihn bindet. Er ist nicht mal dein Vater, und du bist nicht sein Leibeigener. Du kannst tun und lassen, was du willst – also, was hindert dich?«
    »Ich kann Osyn nicht einfach im Stich lassen«, murmelte Tenan. »Er hat so viel für mich getan. Ich verdanke ihm alles. Er hat mich aufgezogen, mir ein Heim gegeben und mich ausgebildet. Was wäre aus mir geworden, wenn er mich damals nicht gefunden hätte, wie ich als Neugeborenes in der Höhle lag? Und dann das Studium der Kleinen Magie ... Er hat mir viel beigebracht ...«
    »Zumindest hat er es versucht«, unterbrach ihn Amris augenzwinkernd. »Allzu weit hast du es ja bis jetzt noch nicht gebracht.«
    »Ich bin Comori des vierten Grades!«, brauste Tenan auf.
    »Na und? Mach dir doch nichts vor. Bisher bist du mit deinem Studium nachlässig gewesen. Und warum? Weil du merkst, dass es nicht deine wahre Bestimmung ist! Wenn du wirklich davon überzeugt wärst und dich mehr anstrengen würdest, könntest du schon bald den Meistergrad erlangen und dich in einem anderen Dorf als Comori niederlassen. Dann wärst du dein eigener Herr. Tenan, du musst für dein Leben endlich selbst die Verantwortung übernehmen.«
    »Du hörst dich schon an wie mein Meister«, maulte Tenan.
    »Er wird in diesem Punkt schon recht haben«, fuhr Amris unbeirrt fort. »Wie alt bist du jetzt? Neunzehn? Schau dir Fenn und die anderen an. Sie haben ihre Lehrzeit schon vor langem abgeschlossen und arbeiten in der Schmiede oder auf den Höfen rundum.«
    »Und? Sind sie deswegen glücklicher?«
    »Das nicht – aber genau das ist es ja. Tu endlich, was du wirklich möchtest! Wenn du ein Comori werden willst – bitte schön! Aber dann mach es mit ganzem Herzen. Oder verwirkliche deine Träume, komm mit mir nach Meledin und trete in die Armee ein. Du weißt selbst, wie viel Leidenschaft du für den Schwertkampf und die Reiterei empfindest. Du bist einer der Besten bei unseren Pferderennen, und deine Schwerttechnik kann sich sehen lassen. All das könntest du vervollkommnen, wenn du richtig ausgebildet wirst. Nun gibt es eine Gelegenheit: Schiffe aus Meledin liegen im Hafen! Was willst du noch mehr? Du müsstest nicht einmal die Überfahrt bezahlen.«
    Tenan hörte Amris’ leidenschaftlicher Rede bedrückt zu. Er wusste, dass sein Freund es nur gut meinte und dass ein Großteil von dem, was er sagte, stimmte. Doch er schüttelte den Kopf. »Osyn ist ein strenger Meister. Ich glaube, er wünschtsich, dass ich sein Nachfolger werde und in Esgalin bleibe. Er hat es nie deutlich gesagt, aber ich spüre es ...«
    Amris seufzte und blickte aufs Meer. »Deine Treue in Ehren. Trotzdem glaube ich, dass das Leben als Comori nichts für dich ist. Das muss selbst der alte Osyn einsehen.«
    Der Wind heulte schwermütig über die Hochebene. Es war für eine Weile das einzige Geräusch, das zu hören war. Tenan sagte nichts. Er kämpfte mit seinen widerstreitenden Gefühlen und Gedanken.
    Nach einer kleinen Pause fragte Amris: »Weißt du noch, wie wir schon als Jungen davon träumten, Krieger zu werden und in den Dienst des Hochkönigs zu treten?«
    Tenan musste lächeln. Es schien ihm schon eine Ewigkeit her zu sein. »Ja. Wir hatten eine Losung, die wir uns zuriefen: Wir sind stark wie Drachen, und nichts kann uns aufhalten!«
    Beide lachten über die Unbeschwertheit und Naivität, die sie damals gehabt hatten. Ihr Leben war über die Jahre hinweg ernster und beschwerlicher geworden.
    Tenan seufzte. »Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als mit dir nach Meledin zu gehen und in den Dienst des Hochkönigs zu treten. Aber ich ... habe mich entschieden.« Die Worte hörten sich aus seinem Mund seltsam an. Fast kam es ihm so vor, als spräche sie ein anderer. »Ich werde mein Studium der Kleinen Magie abschließen. Osyn wird mich nicht entlassen, bevor ich alle Zaubersprüche beherrsche.« Tenan lächelte. »Er meint, ich sei mit meinem Halbwissen eine Gefahr für andere.«
    »Was gar nicht so falsch ist«, bestätigte Amris. »Du hast ja schon allerlei Scherereien damit im Dorf verursacht.« Er schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Ich sehe es dir an: Du bist nicht eins mit dem, was du sagst. Aber ich achte deine

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