Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
weinen.
»Herr, habt Erbarmen«, flehte eine Mutter und sank vor Drynn Dur in den aufgewühlten Schlamm, die Hände bittend ausgestreckt. »Ihr habt uns schon alles genommen, lasst uns wenigstens das Leben und das unserer Kinder!«
Drynn Dur schlug sie mit dem Handrücken, und sie fiel vor ihm in den Schmutz. »Das Leben eurer Kinder werden wir sicher schonen, Weib!« Er gab Mewroth einen Wink. »Legt alle, die sich zur Sklavenarbeit eignen, in Ketten und bringt sie aufs Schiff. Mit dem Rest der winselnden Ratten sollen deine Krieger machen, was sie wollen. Wenn ihr hier fertig seid, werdet ihr sofort einen neuen Ring des Todes um das nächste Dorf legen.«
Mewroth gab seinen Soldaten wortlos ein Zeichen, und die Gredows setzten sich in Bewegung.
»Macht schnell, oder ich sorge dafür, dass auch ihr auf das Sklavenschiff kommt!«, trieb Drynn Dur die Krieger an und riss sein blutiges Schwert in die Höhe.
Auf diese Geste hin stürzten die Gredows noch schneller voran, um seine Befehle auszuführen.
Der Bash-Arak hatte genug gesehen und ließ sich vom Wind wieder in größere Höhen treiben. Wieder nichts. Doch er empfand kein Bedauern, keine Unzufriedenheit. Im Gegenteil. Drynn Durs Mordknechte sollten ruhig tun, was ihnen aufgetragen war, solange sie den Kristall nicht fanden. Kein anderer als der Herr der Schatten hatte das Recht, das Kleinod an sich zu nehmen. Selbst Achest, der ihn einst aus den Grauen Sphären befreit hatte, besaß nur ein oberflächliches Wissen über den Meledos, was ihn noch lange nicht zum Meister über ihn machte. Denn es gab nur einen, der mit den Kräften des Steins richtig umzugehen wusste. Der Bash-Arak war der Meister der Steine von On. Und er würde dafür sorgen, dass es dabei blieb.
17
Tenan und Urisk folgten der schmalen Küstenstraße, die durch sanfte grüne Hügel am Rand der Steilküste führte, Richtung Westen. Weiße Felsen und Steine, die spärlich von Moos und kurzem gelben Gras überwuchert waren, ragten zu beiden Seiten hervor. Die vielen kahlen Stellen schimmerten wie die Knochen eines gigantischen Tieres im Licht der Sonne. Zu ihrer Rechten brandete das Narnen-Meer an die Klippen.
Das Rauschen der Wellen und das Pfeifen des Windes wurden ihre ständigen Begleiter.
Urisk war ein geschwätziger Gefährte, der in seinem Redefluss kaum zu bremsen war. Tenan versuchte noch einmal herauszubekommen, wie sich Urisk und Osyn genau kennengelernt hatten. Die kurze Erklärung seines Meisters vom Vortag befriedigte ihn nicht. Doch in diesem Punkt war der Fairin erstaunlich schweigsam und zurückhaltend.
»Scheint einem nicht weise, so viel zu erzählen hier«, sagte er mit einem besorgten Blick auf die umliegende Landschaft. »Die Steine haben manchmal Ohren, und Kobolde hören mehr, als gut ist. Nicht sprechen über solche Dinge ist besser für einen.«
Tenan musste das akzeptieren.
Je länger sie unterwegs waren, desto ängstlicher und besorgter wirkte der Fairin. Mehrmals fragte er, wann sie Dorlin erreichen würden und ob es nicht besser wäre, die Straße zu verlassen. Doch Tenan sah keinen Grund dazu. Zwischen den flachen Hügeln der fast baumlosen Landschaft würden sie jeden Verfolger bald entdecken können. »Wenn wir uns ganz normal und unauffällig fortbewegen, wird keiner Verdacht schöpfen.«
»Aber es könnte sein, dass man so ein leichtes Ziel ist«, widersprach Urisk.
»Glaube mir, wenn die Bogenschützen Achests uns entdecken, ist es gleichgültig, ob wir uns abseits der Straße oder auf ihr bewegen.«
Am frühen Abend erreichten sie die Anhöhe von Armara. Hier hatte der Sage nach vor vielen tausend Jahren eine alte Stadtfestung gleichen Namens gestanden, die plötzlich verlassen worden war, niemand wusste, warum. Nun befandensich überall Ruinen, hier der Bogen eines Portals, dort der verwitterte Teil einer Mauer. Vereinzelt wuchsen Bäume und Büsche, und selbst ein Bach plätscherte zwischen den Steinen. Die Natur hatte sich im Lauf der Zeit ihr Reich zurückerobert.
Sie gelangten an ein kleines Wäldchen, in dem Buchen, Tannen und Eichen dicht beieinanderstanden. Da sie an diesem Tag ein Gutteil des Weges geschafft hatten, beschloss Tenan, auf einer Lichtung inmitten des Wäldchens haltzumachen und das Nachtlager aufzuschlagen. Rundherum erhoben sich die Grund mauern und abgebrochenen Säulen eines verfallenen Tempels vom Boden. Sie waren von dichtem Efeu überwachsen.
Urisk erkundete die Umgebung und versicherte sich, dass keine Gefahr
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