Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
ich haben auf unseren gemeinsamen Fahrten einige unschöne Erfahrungen mit den dunklen Künsten gemacht. Seitdem will ich von diesem Teufelszeug nichts mehr wissen. Leider sieht er das ganz anders: Er ist geradezu versessen darauf, die Geheimnisse der Magie zu ergründen.«
»Bedauerlicherweise habe ich es darin nicht weit gebracht«, wehrte Chast ab. »Es ist nicht leicht, Einblick in die alten Zauberbücher zu erlangen, doch ohne sie ist man hoffnungslos verloren. Dauernd geht etwas schief. Entweder man hat die Formel nicht richtig rezitiert, oder die magischen Gegenstände sind nicht korrekt geeicht.«
»Davon kann ich ein Lied singen«, entfuhr es Tenan. Er biss sich auf die Lippen. Harrid schien die Bemerkung glücklicherweise überhört zu haben. Doch Chast sah ihn aufmerksam an, bevor er sich wieder seinem Braten widmete.
Tenan schaute auf seinen Teller und aß hastig weiter. Wenn die beiden wüssten, was er in dem Silberbeutel um den Hals trug! Und dass er im Haushalt eines Zauberers groß geworden war! Wahrscheinlich würde er schneller im Hafenwasser landen, als dass er bis drei zählen konnte.
»Ich hoffe nur, du und dein Freund, ihr könnt die Überfahrt bezahlen?«, fragte Harrid und wechselte damit unvermittelt das Thema. »Bei aller Freundschaft, aber die Tage sind vorbei, in denen ich großmütig alles umsonst gegeben habe. Die Zeiten sind schlecht, und mit der Seefahrerei lässt sich heutzutage kein großer Gewinn mehr machen.«
»Sei unbesorgt, alter Pirat«, beruhigte ihn Chast. »Tenan hat genug Geld bei sich, wie es sich für einen fahrenden Händler gehört.« Er zwinkerte seinem Mitpassagier spitzbübisch zu. »Sobald wir in Meledin sind, wird er dich bezahlen, nicht wahr?«
Tenan nickte schweigend und versuchte, sich ein unbekümmertes Lächeln abzuringen. Er wusste nur zu gut, dass er nicht genug Geld bei sich führte, um für beide zu bezahlen. Und Verhandlungen über den Preis wagte er gar nicht zu beginnen. Sobald sie in Meledin angekommen waren, musste er Mittel und Wege finden, um dieses Problem aus der Welt zu schaffen. Er kaute schweigend an seinem Bissen, der ihm plötzlich recht trocken vorkam.
Bevor sich Tenan nach dem Mahl zur Ruhe legte, ging er noch einmal an Deck, um frische Luft zu schnappen. Chast, der ziemlich betrunken war, hatte sich bereits in die Koje zum Schlafen zurückgezogen.
Trotz der vorgerückten Stunde flackerte das Hafenviertel unruhig im Licht der Fackeln und Laternen. Nun waren keine Arbeiter oder Händler mehr unterwegs, stattdessen war dashektische Treiben des Alltags einem fieberhaften Nachtleben gewichen. Fasziniert schaute sich Tenan um. Es kam ihm vor, als wurde auf den Kais und Plätzen ein einziges großes Fest abgehalten. Die Spielleute sangen und fiedelten, während die Menschen ausgelassen tanzten, tranken und ihren Spaß hatten. Tenan hielt für einen kurzen Augenblick Ausschau nach Urisk, obwohl in dem Gewimmel beim besten Willen nichts zu erkennen war; dann ermahnte er sich, dass das sinnlos war und der Fairin ihn sicher nicht mehr suchte. Falls er es dennoch tat, würde er von den geschlossenen Stadttoren aufgehalten werden. Und selbst wenn er in die Stadt gelangte – wie sollte er Tenan jemals in all dem Trubel ausfindig machen? Trotzdem erfasste ihn der unerklärliche Wunsch, den Fairin jetzt an seiner Seite zu haben. Vielleicht lag es daran, dass Osyn den Waldgeist als Führer und Begleiter auserwählt hatte, dem er voll und ganz vertraute. Tenan musste sich eingestehen, dass er sich, ganz auf sich allein gestellt, unsicher und eigentümlich verletzlich fühlte.
Noch einmal ließ er seinen Blick über das bunte Treiben schweifen. Die Menschen waren so sorglos und tanzten in einen neuen Tag, der ihr Verderben bringen konnte. Sie ahnten nichts von der bevorstehenden Gefahr. Plötzlich erspähte er eine wuchtige Gestalt, die aus dem Gedränge herausragte wie ein Turm. Der Kahlkopf drehte sich suchend hin und her und schob rücksichtslos jeden beiseite, der ihm im Weg stand – es war Watlock! Tenan duckte sich hinter die Reling. Gut möglich, dass er nach ihm und Chast suchte. Hoffentlich hatte er ihn nicht auf dem Deck der Dakany erspäht. Besser, er zog sich jetzt in seine Kajüte zurück, um zu schlafen. Die Nacht würde nicht mehr lange währen.
Am frühen Morgen erwachte er durch die Geräusche der Mannschaft, die das Schiff zum Ablegen klarmachte. Harrids Befehle waren bis in die Kajüte zu hören. Er hatte trotz des vielen
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