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Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Titel: Das Siegel der Finsternis - Algarad 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Reichard
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Konnte er Chast und Harrid wirklich trauen? Im Grunde wusste er von beiden nicht viel. Aber er war gezwungen, sich auf sie zu verlassen. Gerade der Kesselflicker war seine einzige Stütze, sein einziger Orientierungspunkt außerhalb Gonduns. Er erinnerte sich daran, wie selbstlos Chast ihm im Scharfen Messer geholfen hatte. Tenan beschloss, Tres’ vergiftete Gedanken nicht weiter in sich wirken zu lassen, und zwang sich, an etwas anderes zu denken.

    Am Abend des fünften Tags der anhaltenden Flaute gab Harrid seiner Mannschaft die Erlaubnis für eine Feier. Er hoffte, die Laune der Männer würde sich dadurch bessern.
    Alle versammelten sich auf dem Hauptdeck und ließen den Weinkrug kreisen. Ein paar Matrosen holten Fiedeln und Trommeln und spielten zum Tanz. Es wurde gegrölt und gelacht, man erzählte Geschichten und Seemannsgarn. Die Lange weile und die gereizte Stimmung, die tagsüber geherrscht hatten, verflogen schnell. Die meisten Matrosen vergnügten sich beim Spiel.
    Chast zechte mit den Männern und trank einen Becher Wein nach dem anderen. Es sah nicht so aus, als würde ihm das etwas ausmachen. Auch Harrid war bester Laune. Er trank gut das Doppelte von dem, was Chast zu sich nahm.
    »Trinkt, Männer!«, schrie er in die Menge. »Lasst es euch gut gehen, wir haben noch ein schwieriges Wegstück vor uns! Das Meer ist nicht immer so zahm! Also feiert, so lange ihr könnt!«
    Tenan hielt sich abseits der anderen. Mit Unbehagen bemerkte er, dass Tres ihn die ganze Zeit über beobachtete. Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Matrose etwas vorhatte.
    Als das Fest spät in der Nacht seinen Höhepunkt überschritten hatte, erhob sich Tenan, um mit Chast in die Kajüte zu gehen. Er ging an Tres vorbei, der an der Bordwand lehnte. Plötzlich schnellte dessen Bein nach vorn. Tenan stolperte, ruderte mit den Armen, verlor das Gleichgewicht und schlug der Länge nach aufs Deck. Der Beutel mit dem Meledos-Kristall rutschte von seinem Hals, schlitterte über die Planken und blieb in der Nähe der Reling liegen. Fast wäre er über Bord gegangen.
    Tres stand auf und kam schwankend auf ihn zu. In der Rechten hielt er einen Weinbecher. Er hatte deutlich zu viel getrunken. »Kann der hohe Herr nicht mal anständig laufen?«, lallte er. »Das ist mal wieder typisch für die Leute vom Land. Kaum auf einem Schiff, schon werden sie seekrank und fallen hin.«
    Einige der Matrosen fanden ihren Spaß an dem Witz und lachten. Tres kicherte und schaute stolz in die Runde der Kameraden, dann nahm er wieder einen kräftigen Zug. Er wankte ein paar Schritte zur Reling, bückte sich schwerfällig und hob den silbernen Beutel auf.
    »Was haben wir denn hier?« Er wog ihn in der Hand. »Ziemlich schwer. Ob der hohe Herr etwa Gold bei sich trägt? Ich frage mich, was drin ist.« Er zog an den Schnüren, um ihn zu öffnen.
    Mit einem Satz war Tenan auf den Beinen. »Gib das sofort wieder her!« Er sprang auf Tres zu und wollte ihm den Beutel aus der Hand reißen. Dabei vergaß er, dass der Matrose ihm an Kräften weit überlegen war.
    Tres schubste ihn weg, sodass er rücklings zu Boden fiel. »Scheint ja ungeheuer wichtig für dich zu sein«, sagte er mit schwerer Zunge. »Mal sehen, welche Schätze du mit dir herumträgst.«
    Er öffnete den Beutel.
    »Lass das!«, schrie Tenan hilflos. Ohnmächtige Wut brannte in ihm.
    Doch schon hatte Tres den Kristall herausgenommen und hielt ihn empor. Den Beutel ließ er achtlos fallen. Der Stein leuchtete wie eine kleine rote Sonnenscheibe, die von Nebelschleiern umgeben war. Sein Glühen sog alles Licht in sich auf und verdunkelte die Helligkeit ringsum.
    Augenblicklich zog eine drückende Düsternis in die Herzen aller Umstehenden ein. Etwas Böses, zutiefst Abscheuliches senkte sich herab. Währenddessen begann das Meer bläulich zu leuchten, erst schwach und diffus, dann zunehmend intensiver. Doch niemand achtete auf den Ruf der Toten aus der Tiefe.

5
    Tres war sichtlich überrascht. Er wendete das Kleinod hin und her und ließ die dunkelroten Strahlen auf sein Gesicht fallen. Seine Züge sahen aus, als seien sie von Blut überströmt. Die Seeleute versammelten sich in einem weiten Kreis um die beiden und starrten auf den Stein. Es herrschte Totenstille.
    Das geisterhafte blaue Leuchten des Meeres vermischte sich mit dem roten Glanz des Kristalls.
    »Was ist das?«, rief Tres.
    »Das geht dich nichts an«, sagte Tenan bestimmt. »Gib ihn zurück!« Er machte einen Schritt

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