Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
dabei noch das geringste Übel sein.«
»Tenan hat recht«, pflichtete ihm Chast bei. Er lehnte mit verschränkten Armen an der Kajütentür. »Wir stecken zu tief in der Sache drin. Wenn wir die Chance nicht nutzen, die uns das Schicksal gegeben hat, wird nur einer Nutzen daraus ziehen:Achest. Möchtest du wirklich derjenige sein, der daran schuld ist, dass Algarad ins Chaos stürzt, nur weil du einen magischen Kristall nicht an Bord haben wolltest, Harrid?«
Die Züge des Kapitäns waren düster. »Es ist nicht irgendein magischer Kristall, sondern ein besonders gefährlicher ...«
Chast ließ nicht locker. »Harrid, mein Freund, wo ist dein Mut geblieben? Wir haben in vielen Schlachten zusammen gekämpft und schon weit schwierigere Situationen gemeistert. Gib dir einen Ruck!«
»Du weißt, dass ich ein gebranntes Kind bin, wenn es um Zauberei geht. Erinnerst du dich noch an unsere gemeinsame Fahrt nach Ealgronth, als die Hogren-Kobolde aus den Frachträumen ausgebrochen sind und die Dakany um ein Haar versenkt hätten? Ich dulde keine Magie auf meinem Schiff!« Harrid schüttelte entschieden den Kopf. »Jeder an Bord hat eben gesehen, was sich zugetragen hat. Wenn ich nicht umgehend dafür sorge, dass dieses unheimliche Ding vom Schiff verschwindet, könnte es eine Meuterei geben. Die Männer sind abergläubisch und ängstlich, was die Zauberei angeht ...«
»Genau wie ihr Kapitän«, unterbrach ihn Chast. »Geh ihnen mit gutem Beispiel voran! Zeig ihnen, dass du weiterhin alles im Griff hast. Erkläre ihnen, was wir als Nächstes tun werden und dass die Gefahr schneller vorüber sein wird, wenn wir alle Kräfte bündeln und den Weg nach Meledin fortsetzen. Sie werden dir folgen, so wie sie dir früher gefolgt sind.«
Harrid verzog das Gesicht. Es war ihm deutlich anzusehen, wie sehr es ihm widerstrebte, gegen seine Prinzipien zu verstoßen. Aber Chasts Argumente leuchteten ihm ein.
Schließlich nickte er. »In Ordnung. Ich werde Tenan sicher in den Hafen von Meledin bringen«, knurrte er. »Aber ich wünsche, dass ihr beide euch von den Matrosen fernhaltet. Ihrwerdet meinen Männern aus dem Weg gehen und eure Mahlzeiten getrennt von ihnen einnehmen. An Deck dürft ihr euch nur achtern bei mir und Morn aufhalten. Meine Leute werden euch nach diesem Vorfall ohnehin meiden.« Er hob drohend den Zeigefinger. »Und ich möchte nichts mehr von dem verfluchten Kristall an Bord sehen oder hören, verstanden?«
Tenan nickte.
»Die Überfahrt wird außerdem mehr kosten«, fuhr der Kapitän fort. »Schließlich muss ich meine Leute angemessen entschädigen für all die Gefahr und den Ärger.«
»Ich werde das mit Tenan regeln«, sagte Chast eilig, bevor der etwas anderes entgegnen konnte. »Sorge du in der Zwischenzeit dafür, dass die Mannschaft dir weiter vertraut. Sag den Männern, dass du härter mit uns umgehen wirst«, rief er seinem Freund zu, während er Tenan aus der Kabine schob.
»Bist du verrückt?«, flüsterte Tenan, als sie wieder in ihrer Kajüte waren. »Ich habe nicht einmal genug Geld, um die Überfahrt für uns beide zu zahlen, wie soll ich da noch mehr geben?«
»Du kannst von Glück sagen, dass ich Harrid noch einmal überreden konnte, nichts gegen dich und den Kristall zu unternehmen«, entgegnete Chast. »Er kann zum Tier werden, wenn es darum geht, sein Schiff und die Mannschaft zu schützen. Da sind die Auflagen, die er uns stellt, noch gnädig ausgefallen. Aber er musste etwas unternehmen, immerhin ist er der Kapitän und muss vor seiner Mannschaft das Gesicht wahren.«
Tenan fasste nach dem Beutel, den er wieder um seinen Hals gehängt hatte. Der Stein darin hatte wieder seine normale Temperatur angenommen. »Sag mir, Chast, was trage ich da bei mir? Was wird sich noch alles ereignen?«
Der Kesselflicker wiegte den Kopf. »Der Kristall ist in der Tat eine große Gefahr. Für das Schiff, für uns alle. Harrid hat vollkommen Recht, wenn er ihn schnellstmöglich wieder loswerden will. Noch einmal wird er sich nicht besänftigen lassen. Ab jetzt darf nichts mehr passieren.«
Tenan nickte. Der Kristall war eine weitaus größere Bedrohung, als Osyn vermutet hatte. Denn er besaß nicht nur magische Kräfte – er spaltete auch die Herzen der Menschen, indem er die mächtigste Zauberkraft der Welt einsetzte: Angst.
7
Die Reparaturarbeiten an der Acheron, dem Flaggschiff der Flotte Achests, gestalteten sich langwierig. Das Loch im Rumpf war gewaltig und zog sich vom Bug bis unter den
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