Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
erklären«, brummte Harrid. »Mir ist es nur recht, wenn wir das verdammte Ding so schnell wie möglich wieder vergessen.«
Nur Chasts Neugier war noch nicht befriedigt. »Du hast uns noch nicht erzählt, wo du den Stein gefunden hast.« Er ignorierte den vorwurfsvollen Blick des Kapitäns, der gehofft hatte, dass das Thema nun endgültig erledigt wäre.
Tenan berichtete, wie er den Kristall im Wrack der Lethis gefunden hatte, erwähnte aber nicht die schauerliche Begegnung mit Leargh. Er wollte Harrids Abneigung gegen den Kristall nicht noch unnötig steigern.
Dennoch lauschte der Kapitän Tenans Erzählung interessiert. Er rieb seinen breiten Daumen am Kinn, als er von dem Fund des Wracks in der Bucht von Gondun berichtete. »Die Lethis«, murmelte er. »Wenn ich mich recht entsinne, ist sie vor einigen Wochen mit unbekanntem Ziel aus Meledin ausgelaufen. Tarik, der Kapitän, ist ein alter Freund von mir. Er fuhr oft im Auftrag des Ordens von Dan, transportierte hochrangige Herrschaften. Ein schweigsamer Seemann, aber einer, auf den man sich verlassen kann. Ich kann mich erinnern, dass er oft mit Lord Iru, dem Fürsten von Dan, auf hoher See war. Die beiden haben einige Schlachten im Auftrag des Hochkönigs geschlagen. Und nun sagst du, dass die Lethis gestrandet ist? Das sind wahrhaftig keine guten Nachrichten.«
»Wahrscheinlich ist das Schiff bei dem fürchterlichen Orkan untergegangen, der über Gondun wütete«, meinte Tenan.
Harrid brummte. »Ich habe davon gehört. Muss ein ziemliches Unwetter gewesen sein. Von so einem Wind könnten wir nun ein wenig gebrauchen. Was würde ich darum geben!« Er trommelte mit den Fingern auf der Reling. »Die Flaute, die uns erwischt hat, dauert lange an. Wenn das so weitergeht, werden wir Meledin viel später erreichen als auf dem normalen Seeweg, und unsere vermeintliche Abkürzung wäre vergeblich gewesen.«
Tenan starrte auf die spiegelglatte See hinaus und seufzte. »Jeder Tag, den wir im Meer der Stille verbringen, verlängert das Leiden der Bevölkerung Gonduns. Bis wir in Meledin ankommenund den Orden von Dan unterrichten können, werden weitere Tage vergehen. Und wie lange wird es wohl dauern, bis die Dan-Krieger aufbrechen, um die besetzte Insel zu befreien?«
»Das kann niemand abschätzen«, antwortete Chast. »Der Hochkönig und sein Rat müssen alle Gründe für und gegen einen Krieg abwägen. Seit knapp zwanzig Jahren gab es keine Auseinandersetzung mehr zwischen Algarad und Achest. Die Truppen des Todesfürsten hatten sich damals nach Caithas Dun zurückgezogen. Es war ein trügerischer Friede, aber doch so beständig, dass Andorin ihn vielleicht nicht gleich aufs Spiel setzen wird.«
Tenan brauste auf. »Aber er kann doch unmöglich zulassen, dass eine ganze Insel seines Reichs einfach von Feinden überrannt wird!«
Chast zuckte die Achseln. »Gondun ist nicht so wichtig für das Reich, wie manche glauben. Die Insel mag ein strategisch wichtiger Punkt gegen die Gefahr aus Caithas Dun sein, aber die Frage ist, ob der Hochkönig das schon als Grund für einen neuen Krieg mit Achest gelten lässt.«
»Ich an Andorins Stelle würde sofort Schiffe zur Verteidigung aussenden«, erklärte Tenan hitzig. »Der Todesfürst wird weitere Inseln angreifen. Andorin kann nicht einfach tatenlos zusehen, wenn ...!«
Chast unterbrach ihn. »Andorin kann das Wohl und Wehe seines Reichs wohl etwas besser einschätzen als ein Comori des vierten Grades, meinst du nicht auch?«
Tenan blickte zu Boden.
Harrid lachte. »Du bist ein Hitzkopf, mein Junge. Aber das gefällt mir. Achte nur darauf, dass du nicht allzu viele unbedachte Entscheidungen triffst – das könnte dir zum Verhängniswerden. Vielleicht schickt uns Eta, die Göttin der Meere, bald einen schönen Fahrtwind, damit sich dein Mut abkühlen kann und wir endlich zur Meerenge von Sinth kommen!« Er schlug Tenan väterlich auf die Schulter und verließ mit schwerem Seemannsschritt das Achterdeck.
Es sollte noch zwei weitere Tage dauern, bis Harrids Wunsch endlich in Erfüllung ging.
Tenan hatte Spaß daran gefunden, mit Chast den Schwertkampf zu trainieren, obwohl es ihm einige Mühe bereitete, seine bisherige Technik zu vergessen. Immer wieder verfing er sich in alten, eingeschliffenen Gewohnheiten, allzu oft unterliefen ihm die gleichen Fehler.
Chast war ein strenger Lehrer, aber er verstand es auch, ihn zu ermutigen. »Es dauert einige Zeit, bis dein neues Wissen die Führung übernehmen kann«, sagte
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