Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
er kleinlaut und hielt sich den schmerzenden Kopf.
6
Harrid schenkte sich einen Becher mit Wein ein, den er in einem Zug leerte. »Was ist da eben passiert?«, fragte er dumpf. Er wirkte sichtlich mitgenommen.
Tenan rutschte unruhig auf dem Sessel umher, den ihm der Kapitän zugewiesen hatte. Er drückte den Beutel mit dem Meledos an sich, als wolle er verhindern, dass er ihm wieder abgenommen wurde. Der Stein wog schwer in seinen Händen, eine unwirkliche Kälte drang durch den Beutel hindurch. »Ich weiß nicht, was sich eben ereignet hat«, antwortete er leise. »Es kam mir so vor, als habe ein böser Geist von Tres Besitz ergriffen, der durch den Kristall angezogen wurde.«
»Es war nicht irgendein böser Geist«, ergänzte Chast mit ernstem Blick. »Er hat seine Identität selbst preisgegeben: Es war der Herr der Schatten, ein überaus mächtiges Wesen aus den Grauen Sphären. Wir sind soeben Zeugen einer nekrelith geworden.«
»Einer was?«, knurrte Harrid verwirrt. »Dieses zauberische Geschwätz macht mich noch wahnsinnig! Sprich klar und deutlich mit mir, oder ich vergesse mich!«
»Eine nekrelith ist die Inbesitznahme eines Körpers durch ein Wesen aus den Grauen Sphären«, erklärte Chast. »Die Schatten sind vor langer Zeit in die Sphären verbannt wordenund warten darauf, ins Reich der Sterblichen zurückzukehren und einen Körper zu bewohnen. Wenn sie Gelegenheit dazu haben, verdrängen sie das Bewusstsein eines Menschen durch ihr eigenes und gewinnen Kontrolle über seinen Körper. Der Kristall, den Tenan bei sich trägt, hat jenem Schattenwesen, das sich Bash-Arak nennt, Zugang in den Körper von Tres ermöglicht.«
»Woher weißt du das alles?«, fragte Tenan.
»Chast weiß viel über diese Dinge, für meinen Geschmack zu viel«, brummte Harrid. »Aber ich glaube, es ist wohl eher an dir, uns aufzuklären.«
Tenan seufzte. Es war Zeit, sein Geheimnis zu lüften. Die Blicke des Kesselflickers und des Kapitäns wandten sich ihm zu.
Eindringlich schilderte Tenan ihnen seinen Auftrag, welche Bewandtnis es mit dem Kristall hatte und wie wichtig und gefahrvoll seine Mission war. Harrid und Chast lauschten seinem Bericht mit Erstaunen und zunehmendem Entsetzen zugleich. Beide bestürmten ihn mit Fragen, und er war froh, selbst kaum etwas über den Stein zu wissen. So konnte er bei der Wahrheit bleiben und musste nichts verschweigen, das besser geheim blieb.
»Die Truppen des Todesfürsten sind hinter dir her?«, fragte Chast fassungslos und pfiff durch die Zähne. »Da haben wir ja ganz schön was am Hals.«
»Bei Belgon, und du rückst erst jetzt damit raus?«, donnerte der Kapitän. »Das ist entschieden zu viel! Nekromanten und Schwarzkünstler! Chast, du hast mich mit deinen magischen Umtrieben schon immer beunruhigt, aber noch schlimmer ist dieser Junge!« Er funkelte Tenan an. »Du bringst mein Schiff und meine Mannschaft in höchste Gefahr! Zauberei ist eindunkles Geschäft, wir haben gerade erst wieder ihre Wirkung zu spüren bekommen. Nein, nicht auf meinem Schiff! Ich hätte gute Lust, dich auf der nächsten Insel auszusetzen!«
»Was hätte ich denn machen sollen?«, versuchte sich Tenan halbherzig zu verteidigen. »Ich musste es doch geheim halten. Oder hättet Ihr mich mitgenommen, wenn ich Euch von dem magischen Kristall und der Gefahr durch Achest erzählt hätte?«
Harrid sprang auf und schlug hart mit der Faust an einen Balken. »Nichts da! Ich will mit all dem nichts zu tun haben!«
»Wir sind als einziges Schiff aus Dorlin entkommen«, fuhr Tenan fort. »Hättet Ihr nur wenig später abgelegt, wären wir alle nicht mehr am Leben oder befänden uns in den Händen der Gredows. Und der Kristall wäre im Besitz des Todesfürsten, der ihn auf keinen Fall besitzen darf.« Er schaute Harrid beschwörend an. »Versteht doch: Wenn Ihr mich nun über Bord werft oder auf einer verlassenen Insel aussetzt, ist die Gefahr für Algarad nicht gebannt. Mein Meister Osyn konnte mir nicht sagen, was genau es mit dem Stein auf sich hat. Aber er birgt Kräfte, die für Achest so wichtig sind, dass er nach mir suchen lässt und sogar einen Krieg mit Algarad riskiert. Der Todesfürst wird den Kristall irgendwann wieder aufspüren, und sei es auf dem tiefsten Grund des Meeres. Dann wird es keine Rettung mehr für Algarad geben. Gleichgültig, wo Ihr Euch versteckt, Ihr werdet die Auswirkung des Kristalls zu spüren bekommen. Achest wird ihn zum Bösen verwenden. Und glaubt mir – Magie wird
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