Das Siegel der Macht
galt dem Frieden der ganzen Christenheit.
»Der Adel kommt uns mit dem Senat entgegen, das Volk von Rom tobt.« Alexius lenkte das Pferd in die Reihe der jüngsten Höflinge, sprudelte seinen Bericht heraus. Inmitten der vielen Menschen fühlte er sich glücklich. »Vom Hügel dort sieht man bis zur Porta San Peregrini. Die Menge strömt aus der Stadt.«
Langsam ritt Otto seinem Gefolge voran. Der deutsche Adel, der Klerus und das Heer rückten auf, als der Herrscher auf der Kuppe des Mons Gaudii den Arm hob. »Wir werden die Römer hier empfangen.«
Der König stieg vom Pferd und legte den Reisemantel ab. Neugierig entfernte er sich von seinem Gefolge und spähte in die Ferne. Die Luft war klar, der Meerwind wehte hoch oben am Himmel einzelne Wölklein ostwärts. Unter sich sah Otto die Stadt Rom ockergelb im Abendrot leuchten. Endlos zogen sich die gewaltigen antiken Mauern mit ihren Türmen und Stadttoren über die Hügel. Die Wiese zwischen dem Mons Gaudii und der Stadt war mit Menschen übersät.
Befriedigt kehrte Otto in den Kreis seiner Höflinge zurück. In einem improvisierten Zelt wurde ihm frisches Wasser gereicht, während die Knechte draußen sein Pferd abrieben. Sie befestigten neue silberne Trensen und legten dem Tier einen besonders fein gearbeiteten Sattel auf. Der König ließ sich einen golden durchbrochenen Seidenumhang bringen.
»Sind die Kanzlisten mit den Siegeln bereit?«, wandte er sich an seinen Gefolgsmann Hodo, während Alexius die Agraffe seines Umhangs schließen durfte.
»Sie waren schon in Ravenna fertig.«
Die herbeigerufenen Handwerker legten ihre Probestücke sorgfältig auf ein Tuch. Sie waren stolz. In Trier und in Essen, den Zentren der kirchlichen Schatzkunst, hatten sie das Anfertigen besonderer Siegel erlernt.
Offen bekundete der König seine Freude. Er drehte ein Muster und begutachtete beide Seiten. »Ausgezeichnet, ich will von jetzt an keine Kopf- oder Brustbilder mehr. Der Kaiser in ganzer Figur soll die Urkunden begleiten.« Das Siegel zeigte den Romanorum imperator augustus auf dem Thron, in den Händen den Stab und die Weltkugel. Ottos Blick glitt von den Handwerkern wieder zur langsam den Freudenberg heraufziehenden Menschenmenge. Ruhig bestieg er sein Pferd und ritt ihr entgegen.
Jetzt konnte man die vordersten Adligen bereits gut erkennen. Sie hatten ihre farbenprächtigsten Kleider angelegt. Neben den Pferden wurden Sänften mit vornehmen Damen getragen. Hinter ihnen drängten sich Kaufleute und Bauern, Handwerker und die Ärmsten der Armen, die sich von diesem Freudentag Almosen erhofften. Überall sprangen Kinder aufgeregt herum. Von der Stadt her bildete der Menschenstrom ehrfürchtig eine Gasse, um die Prozession der Priester durchzulassen. Der Wind trug ihren Lobgesang in abgehackten Wellen auf den Freudenberg.
An der Spitze der kirchlichen Würdenträger ritt auf einem Schimmel der geistliche Herr der sacra Roma, caput et domina mundi. Der Papst trug die Tiara und mit funkelnden Steinen besetzte Umhänge. Drei Pferdelängen vor dem König brachte er sein Reittier zum Stehen. Neben ihm verteilten sich Kerzenträger und Diakone, die schwere goldene Weihrauchfässer schwangen.
Demütig stieg der König vom Pferd und ging seinem Vetter zu Fuß entgegen. Vor dem weißen Zelter kniete er nieder und näherte seine Lippen den päpstlichen Schuhen. Es war keine Unterwerfung des Herrschers. Der tiefgläubige Christ Otto zeigte dem Papst seine persönliche Verehrung. Wortlos nahm er die Zügel des Schimmels und führte den Römern ihren Apostolischen Hirten entgegen. Das Volk jubelte, Fremde fielen einander in die Arme und schrien sich Worte des Friedens und der Hoffnung entgegen.
Alexius verlor Papst und König aus den Augen, als die italienische Delegation sich mit dem deutschen Gefolge vermischte und man gemeinsam der Porta San Peregrini entgegenzog. Aufmerksam blickte er um sich und beobachtete die römischen Vornehmen, die viel bunter gekleidet waren als die sächsischen Adligen. Plötzlich sprang der junge Grieche strahlend vom Pferd. Im Begleitzug Papst Gregors hatte er Gerbert von Aurillac erblickt. Der schon mehr als fünfzig Jahre alte Erzbischof von Reims saß kerzengerade im Sattel. Alexius sah, dass das Gesicht des Prälaten seit seiner Abreise aus Frankreich schmaler geworden war. Aber Gerberts Augen unter der hohen Denkerstirn hatten ihre altvertraute Gutmütigkeit nicht verloren.
»Gerbert, welche Überraschung!« Alexius nahm die Hand des
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