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Das Siegel der Tage

Das Siegel der Tage

Titel: Das Siegel der Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Zentrum für Zen-Buddhismus gibt es keine Waschmaschine, alles ist naturbelassen und umständlich. Durch ihre Freundschaft mit den beiden begann sich Celia für Buddhismus zu interessieren, was mich aufhorchen ließ, weil sie von einem Extrem ins andere zu fallen pflegte.
    »Das ist eine super Religion, Isabel. Komisch an den Buddhisten ist bloß, daß sie wie Esel nur Grünzeug essen.«
    »Ich will dich nicht mit rasiertem Schädel und im Lotussitz meditieren sehen, ehe die Kinder aus dem Gröbsten raus sind«, warnte ich sie.

Tage des Lichts und des Leids
    Im September brachte Celia Nicole so ruhig zur Welt, wie sie sechzehn Monate zuvor Andrea geboren hatte. Sie stand die zehnstündige Geburt ohne einen Laut der Klage durch, während Nico sie im Arm hielt und ich die beiden beobachtete und dachte, daß mein Sohn nicht mehr der kleine Junge war, den ich behandelte, als hätte ich weiter ein Anrecht auf ihn, sondern ein Mann, der besonnen die Verantwortung für eine Frau und drei Kinder trug. In den Wehenpausen ging Celia wortlos und bleich auf und ab, und wir mußten tatenlos zusehen, wie sie litt. Als sie spürte, daß es gleich soweit sein würde, legte sie sich schweißnaß und zitternd aufs Bett, und dann sagte sie etwas, das ich niemals vergessen werde: »Diesen Augenblick würde ich für nichts in der Welt eintauschen.« Nico hielt sie fest, als erst der Kopf des Mädchens, dann die Schultern und das übrige Menschlein zum Vorschein kamen. Meine Enkelin landete in meinen Armen, naß, glitschig, blutig, und ich empfand dieselbe Ehrfurcht wie an dem Tag, als Andrea geboren wurde, und in der unvergessenen Nacht, in der du für immer fortgingst. Geburt und Tod sind sich sehr ähnlich, Tochter, es sind heilige und geheimnisvolle Momente. Die Hebamme gab mir die Schere, um die dicke Nabelschnur zu durchtrennen, und Nico legte der Mutter das Mädchen an die Brust. Die Kleine war ein festes Pummelchen, das gierig an der Brust sog, während Celia in dieser ureigenen Sprache auf sie einredete, in der Mütter, noch benommen von den Strapazen und der jähen Liebe, mit ihren Neugeborenen sprechen. Wir alle hatten dieses Mädchen herbeigesehnt wie eine Gabe des Himmels; sie war ein frischer Wind der Erlösung und Freude, reines Licht.
    Nicole fing zu brüllen an, sobald sie merkte, daß sie nichtmehr im Bauch ihrer Mutter war, und in den nächsten sechs Monaten hörte sie nicht mehr damit auf. Ihr Schreien ließ die Farbe von den Wänden blättern und zerrte an den Nerven der Nachbarn. Großmutter Hilda, deine Ersatzgroßmutter, die mir über dreißig Jahre zur Seite gestanden hatte, und Ligia, eine Nicaraguanerin, die dich betreut hatte und die ich jetzt wieder anstellte, damit sie uns half, wiegten Nicole Tag und Nacht, denn nur so war sie für Minuten zu beruhigen. Ligia hatte ihre eigenen fünf Kinder in Nicaragua zurückgelassen und war, um sie zu ernähren, zum Arbeiten in die Vereinigten Staaten gekommen. Seit Jahren hatte sie die fünf nicht gesehen und hegte keine Hoffnung, bald mit ihnen zusammensein zu können. Monat für Monat saß immer eine der beiden guten Frauen mit der Kleinen in einem Schaukelstuhl in meinem Büro, während Celia und ich arbeiteten. Ich fürchtete, von dem Geschaukel werde sich manche Schraube im Oberstübchen meiner Enkelin lockern und sie einen Schaden fürs Leben nehmen. Nicoles Schreien verstummte, kaum daß sie zum erstenmal Milchpulver und Suppe bekam, der Grund für ihre Verzweiflung war wohl schlicht Hunger gewesen.
    Unterdessen sortierte Andrea zwanghaft ihre Spielsachen und redete mit sich selbst. Wenn ihr langweilig war, nahm sie ihr ekliges »Tuto«-Tuch, verkündete, sie gehe nach Venezuela, kroch in einen Küchenschrank und schloß die Tür. Wir mußten ein Loch in das Möbelstück bohren, damit ein Streifen Licht und etwas Luft hineindrangen, denn meine Enkeltochter konnte den halben Tag stumm in diesem hühnerstallkleinen Kasten verbringen. Nachdem sie wegen des Schielens operiert worden war, mußte sie eine Brille tragen und eine schwarze Klappe über einem Auge, die wochenweise von einer auf die andere Seite gewechselt wurde. Damit sie sich die Brille nicht von der Nase riß, ließ Nico sich eine Haube aus sechs Gummibändern und ebenso vielen Sicherheitsnadeln einfallen, die sich über ihren Kopf spannte.Sie ertrug die Konstruktion die meiste Zeit, doch hin und wieder bekam sie einen Wutanfall und zerrte so lange an den Gummis, bis sie ihr auf der Höhe der Windel

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