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Das Siegel der Tage

Das Siegel der Tage

Titel: Das Siegel der Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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anderen, über Monate wußten Nico, Celia und Sally nicht ein noch aus, verloren aber zumindest die Kinder nie aus dem Blick. Sie bemühten sich, die drei, so gut es ging, aus dem Chaos herauszuhalten. Doch ein solches Drama ist auch bei aller Zuwendung der Welt nicht ohne Leiden durchzustehen. »Das macht nichts, sie können das später therapeutisch aufarbeiten«, versuchte Willie mich zu beruhigen. Celia und Nico wohnten notgedrungen noch eine Weile unter einem Dach, und Sally ging dort als »Tante« ein und aus. »Das ist ja wie in einem französischen Film, da halte ich mich lieber fern«, entsetzte sich Tabra. Auch ich war mit meiner Toleranz am Ende und zog es vor, die drei nicht mehr zu besuchen, auch wenn jeder Tag, an dem ich meine Enkel nicht sah, ein trübseliger Tag war.
    Weil ich Nicos Nähe suchte, der mich jedoch kaum an sich heranließ, ging meine Beziehung zu Celia von Tränen und Umarmungen zu Anschuldigungen über. Sie warf mir vor, nichts zu verstehen, engstirnig zu sein und mich überall einzumischen. Weshalb ließ ich sie verdammt noch mal nicht in Frieden? Ihre Temperamentsausbrüche und ihre ruppige Art kränkten mich, aber dann rief sie zwei Stunden später an, entschuldigte sich, und wir versöhnten uns, bis alles von vorn anfing. Sie leiden zu sehen machte mir das Herz schwer. Die Entscheidung, die sie getroffen hatte, hatte einen hohen Preis, und alle Leidenschaft der Welt würde sie nicht davor bewahren, ihn zu bezahlen. Celia fragte sich, ob nicht etwas Perverses an ihr sei, das sie dazu brachte, das Beste, was sie besaß, zu zerstören, ihr Zuhause, ihre Kinder, eine Familie, in der sie geborgen war, es gut hatte, umsorgt, geliebt wurde. Ihr Mann hatte sie auf Händen getragen undwar ein guter Ehemann gewesen, und doch hatte sie sich in dieser Ehe gefangen gefühlt, angeödet, hatte aus ihrer Haut gewollt, und ihr Herz hatte sich in Sehnsüchte geflüchtet, für die sie keine Worte fand. Sie erzählte mir, das nach außen so perfekte Gebäude ihres Lebens sei mit Sallys erstem Kuß wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Der habe ausgereicht, ihr klarzumachen, daß sie nicht weiter bei Nico bleiben konnte, und von diesem Augenblick an sei nichts wie zuvor gewesen. Sie wußte, selbst in Kalifornien, das sich gern als die liberalste aller Weltgegenden bezeichnete, würde man sie erbarmungslos ablehnen.
    »Glaubst du, ich bin anormal, Isabel?«
    »Nein, Celia. Ein Teil der Menschen ist homosexuell. Du hast es nur dummerweise ein bißchen spät gemerkt.«
    »Ich weiß, daß ich alle meine Freunde verliere und meine Familie in Venezuela nicht mehr mit mir reden wird. Meine Eltern werden das niemals verstehen, du kennst diese Kreise doch.«
    »Wenn sie dich nicht akzeptieren können, wie du bist, kannst du sie fürs erste nicht brauchen. Anderes geht vor, denk an deine Kinder.«
    Sie gab die Arbeit in meinem Büro auf, weil sie, wie sie sagte, nicht von mir abhängig sein wollte, aber wenn sie die Entscheidung nicht getroffen hätte, hätte ich es tun müssen. Wir konnten nicht zusammenbleiben. Sie zu ersetzen war fast unmöglich, ich mußte drei Leute anstellen für die Arbeit, die sie allein getan hatte. Ich war an Celia gewöhnt, vertraute ihr blind, und sie hatte gelernt, mich von der Unterschrift bis hin zum Stil zu imitieren; wir hatten darüber Witze gemacht, daß sie mir eines nicht allzu fernen Tages die Bücher schreiben würde. Celia, Nico und Sally begannen einzeln und zusammen zur Therapie zu gehen. Celia bekam wieder Antidepressiva und Schlaftabletten, von denen sie wie betäubt war.
    Um Jason dagegen machte sich niemand vieleGedanken; er hatte beschlossen, nach dem Studium in New York zu bleiben. Nach Kalifornien zog ihn nichts mehr, und er wollte weder Sally noch Celia je wiedersehen. Er fühlte sich allein, glaubte, seine gesamte Familie verloren zu haben. Er nahm weiter ab und wirkte anders als früher, aus dem jungenhaften Tagedieb war ein zorniger Mann geworden, der schlaflos bis tief in die Nacht durch die Straßen Manhattans streunte. Es mangelte ihm nicht an Nachtschwärmerinnen, denen er von seinem Unglück erzählte, damit sie ihn nachher im Bett trösteten. »Es hat sicher drei, vier Jahre gedauert, bis ich einer Frau wieder vertrauen konnte«, sagte er mir viel später, als wir über all das reden konnten. Auch sein Vertrauen in mich war dahin, weil ich nicht zu ermessen vermochte, wie sehr er litt. »Nimm es wie ein Mann«, hatte Willie ihm geantwortet, als

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