Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
Natürlich traute sie ihm nicht. Auf der einen Seite schien
er besorgt, auf der anderen kalt und finster. Sie wurde das Gefühl nicht los,
dass irgendetwas nicht mit ihm stimmte und sie würde sicherlich noch dahinter
kommen, was es war, doch jetzt war es Serena ein Rätsel, wie Athene ihm so
blind vertrauen konnte, ohne, dass er ein olympischer Gott war. Und
schließlich, ohne dass sie ihre Worte noch einmal überdachte, konterte sie mit
einer respektlosen Anschuldigung, die die Göttin überraschend traf.
„Du
magst Poseidon doch auch nicht und ziehst diesen Gott einem Olympier vor!“,
fauchte die Halbgöttin mit knirschenden Zähnen, als sie versuchte, den Dreck
von ihren Armen zu wischen und sah wieder hinauf in den dunklen Korridor des
Olymps, als erwarte sie, den Sonnengott dort zu erspähen.
Athene
biss sich auf die Zunge und sah ihre Schwester mit großen Augen an. Aus dem
Seitenwinkel beobachtete diese, wie sich ihr Gemütszustand schnell veränderte,
doch die erhoffte Zurechtweisung blieb aus. Stattdessen legte Athene behutsam
einen Arm um ihre Schulter und schob sie über den Festplatz hinweg mit sich,
weg vom Olymp, weg von den Ohren, die sie hören konnten.
Sie
sagte kein Wort, was Serena zunehmen beunruhigte. Wie konnte sie nur immer so
gelassen wirken? Eine Auseinandersetzung war Serena in diesem Moment deutlich lieber,
denn so konnte sie wenigstens deuten, was Athene dachte und fühlte, doch nun
konnte sie im Schutze der Bäume, deren Blätterlaub über ihnen sogar Athenes
Gesicht verdunkelten, nicht einmal ihre Augen sehen.
„Poseidon
und ich pflegen keine sehr gute Beziehung zu einander. Er hat es noch immer
nicht verkraftet, dass die Menschen aus Athen sich ihm verweigert und mich als
ihre Namenspatronin auserkoren haben“, entfuhr es ihr nun mit flüsternden
Worten, als sie wieder zu Serena sah. Diese sah ihre Schwester fragend an. Wie
alle Menschen, kannte auch sie die Geschichte über den Streit zwischen Athene
und Poseidon. Eine Buhlerei um die Gunst der Athener Bewohner, doch sie dachte
nicht, dass die Zwietracht zwischen den zwei Göttern noch Jahrhunderte später
bestehen würde.
„Er
hat es den Menschen noch immer nicht verziehen, dass sie mich, als eine Tochter
des Zeus, ihm, einen der drei großen Götter und Sohn des Kronos, vorgezogen
haben. Aus diesem Grund hält er auch nicht besonders viel von den Sterblichen.“
„Und
was hat das jetzt mit mir zu tun?“, entgegnete Serena zögernd.
Athene
sah wieder zum Olymp auf.
„In
dir fließt zwar das göttliche Blut des Zeus. Allerdings bist auch du eine
einfache Sterbliche in den Augen der Götter. Ich bitte dich nur, in seiner
Gegenwart ebenso vorsichtig zu sein, wie bei den anderen auch. Es wird sich
viel ändern Serena!“, erwiderte Athene nachdenklich, als sie ins Leere blickte.
Ihre
haselnussbraunen Augen waren glanzlos und grau und ließen der Halbgöttin einen
Schauer über den Rücken laufen.
„Was
meinst du?“
„Das
wirst du noch früh genug sehen, sei bitte einfach nur vorsichtig!“ Ihre Stimme
wirkte eindringlich und verunsicherte Serena zunehmend. Unwohl rieb sie sich
die Arme. Nun, da sie sich genauer umsah und in das dunkle Dickicht blickte,
das das helle Mondlicht nicht durchdringen konnte, wurde sie sichtlich nervös.
„Du
fragst dich sicher, was aus dem Mann geworden ist, den du niedergeschlagen hast“,
fuhr Athene nach einer kleinen Pause fort.
„Wenn
Hades ihn nicht geholt hat, interessiert es mich nicht!“, fauchte Serena
gereizt, als sie an Arkios dachte.
„SERENA!
So etwas solltest du nicht einmal denken!“, fuhr Athene sie plötzlich mit
erhobener Stimme an, sodass auch Serena sie verblüfft ansah.
Natürlich,
den Namen des Gottes, der über die Unterwelt regierte, hörte man auf dem Olymp
innerhalb einer Auseinandersetzung nicht gerne. Er kam einem Fluch gleich,
einer Morddrohung, denn wünschte man jemandem eine Begegnung mit dem Herrn der
Unterwelt, wünschte man ihm den sicheren Tod und ja, das wünschte sie diesem
Tyrannen.
Serena
wandte sich von der Göttin ab. Sie würde niemals verstehen, welchen Gräuel sie
gegen diesen Mann entwickelt hatte, dass ein einfacher Stein in ihren Händen zu
einer tödlichen Waffe werden konnte, sobald sie ihm begegnete.
„Zeus
hat ihn vom Olymp verbannt, nachdem er ihm jegliche Erinnerungen an den Tag
genommen hat. Er wird nie wieder kommen.“ Zögernd sah Serena zu ihrer
Schwester auf, doch auch mit dieser Entscheidung schien sie nicht
Weitere Kostenlose Bücher