Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
oder an ihr vorüber gezogen wäre, ohne dass es
jemand mitbekam, doch spätestens als sie den Brief von Hermokrates gelesen
hätte, den ihr Cybele in den frühen Morgenstunden gebracht hatte, wäre sie auf
den harten Boden der Realität aufgekommen und hätte sich wieder schmerzlich
daran erinnert, dass sie Geburtstag hatte. Da er sie jedoch nicht persönlich
sehen konnte, musste sie sich mit ein paar rührenden Zeilen zufrieden geben, in
denen er schrieb, wie stolz Timaios und Callisto wären, sie nun sehen zu können
– doch alles was sie gesehen hätten, wäre eine niedergeschlagene junge Frau,
die nicht wusste, wer sie war. Selbst die goldene Trainingsrüstung, die Athene
ihr überreicht hatte, konnte dieses Empfinden nicht tilgen. Des Weiteren war es
schließlich nur ein neuer Tag, an dem die Sonne auf- und wieder untergehen
würde und ein weiterer Tag, an dem Götter wie Poseidon ihre Chance darin sahen,
ihre Hand für sich zu gewinnen. Ein Gegenstand, den man versuchte mit allen Mitteln
an sich zu reißen, mehr sah man in ihr nicht, egal wie dreckig alle ihr ins
Gesicht grinsten.
Nur
wenige sahen sie als eigenständiges Lebewesen und versuchten sie darin zu
unterstützen.
Zwar
schien Artemis Gefallen daran gefunden zu haben, sich den Anordnungen ihres
Vaters zu wiedersetzen, doch ihr lag ebenso viel daran, dass Serena sich nicht
ungewollt einem Mann unterordnete und bot ihr deshalb an mit Pfeil und Bogen zu
trainieren, natürlich so, dass Zeus’ ‚ Wachhund‘ es nicht mitbekam.
Für
Serena war die wilde Göttin in den letzten Monaten eine wichtige Vertraute
geworden, denn ihr konnte sie all jenes erzählen, was sie der Göttin der
Weisheit niemals anvertrauen könnte, ohne sie oder Zeus zu verärgern. Sie schenkte
ihr anlässlich ihres 16. Geburtstages sogar einen silbernen Bogen wie sie ihn
selbst stets bei sich trug, eines der wenigen Geschenke, über dessen Erhalten
sie kein gespieltes Lächeln aufsetzen musste.
Ein
leises Klopfen ließ Serena plötzlich aufblicken. Sie zupfte das Kleid zurecht
und lief tief durchatmend zur Tür. Eine pfirsichfarbene Robe mit seidenem Schal
zierte ihren Körper, das sie am selben Morgen von ihrem Vater und ihrer
Stiefmutter geschenkt bekommen hatte mit der Bitte, es heute zu tragen.
Hera
hatte sie in den letzten Monaten immer weniger gesehen, doch sie ließ sie in
Ruhe und das beruhigte sie sehr. Zwar suchte sie noch immer kein Gespräch mit ihr
auf und schien jegliche Aussprache meiden zu wollen, doch die junge Halbgöttin
hatte das Gefühl, dennoch einen Schritt nach vorne geschafft zu haben - Es war
ein Anfang.
Elegant
schwebte sie zur Tür, vorbei an dem Tisch, der von Geschenken, bestehend aus
Schmuck, edlen Gewändern und Füllhörnern, überfüllt wurde, für all das fand sie
jedoch keine Verwendung. Sie verhielt sich zwar wie eine Göttin, doch die
teuren Geschenke waren für sie nichts wert, nichts mit dem man sie für sich
gewinnen konnte.
Langsam
öffnete sie die Tür und spähte hinaus. Zu ihrer Erleichterung stand dieses Mal
kein aufdringlicher Gott mit einem protzigen Geschenk davor, sondern Athene,
die sie fragend ansah.
„Wieso
bist du denn gegangen, ist alles in Ordnung?“, entgegnete diese noch ehe Serena
die Tür richtig aufgezogen hatte.
„Verzeih,
Ich habe einen Moment für mich gebraucht“, erwiderte sie kleinlaut und senkte
ihre Blicke. Die Göttin lachte nur und zog sie mit sich ins Zimmer.
„Du
bist solch eine Aufmerksamkeit nicht gewohnt … schon in Ordnung!“, beruhigte
Athene sie und begutachtete die Geschenke.
Serena
holte Luft, doch biss sich im letzten Moment auf die Lippen und hielt inne. In
Wirklichkeit wollte sie so eine Aufmerksamkeit nicht einmal, doch sie konnte
ihr das unmöglich sagen, denn schließlich hatten sie und Zeus sich so viel Mühe
gegeben, dieses Fest zu organisieren.
„Du
solltest wieder runter kommen. Ein Geburtstag ohne Geburtstagskind ist nicht wirklich
das Wahre!“, zwinkerte sie ihr plötzlich zu, nachdem sie einen Blick aus dem
Fenster geworfen hatte und lief dann eilig an ihr vorbei, zur Tür hinaus.
Serena
verweilte einen Moment, ehe sie ihr fragend hinterher sah. Sie wusste nicht,
was plötzlich in ihre Schwester gefahren war, doch sie war den ganzen Tag schon
so aufgeregt.
Wie
die Göttin es vor ihr tat, sah sie noch einmal zum Fenster hinaus und
beobachtete emotionslos die feiernde Meute auf dem Festplatz. Allesamt waren
sie Fremde. Nur hier und da erspähte sie eine Gottheit, die sie
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