Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
leiden, fürchte ich“,
zwinkerte er ihr zu und lächelte dabei frech, sodass seine Zähne hervor
blitzten. „Ich erkenne die Wahrheit, wenn ich jemanden nur lange genug ansehe,
nur nicht bei euch, da sehe ich nichts!“
Irritiert
sah sie wieder in den Sonnenuntergang und versuchte aus seinen Worten schlau zu
werden, doch wieso sollte er alles sehen können und gerade bei einer schwachen
Halbgöttin in seine Schranken gewiesen werden?
Plötzlich
drehte er sich ganz zu ihr um und schaute sie nachdenklich an.
„Egal
wie lange ich euch anschaue … da ist nichts. Das ist wirklich faszinierend. Auf
euren Gedankengang bin ich lediglich durch euren Gesichtsausdruck gekommen. Er
hat mehr als tausend Worte gesagt“, fuhr er dann wieder grinsend fort und
schien ihre Nervosität nicht einmal bemerkt zu haben.
Serena
wusste nicht, ob er sie verunsichern wollte, doch wenn dies sein Plan war, dann
hatte er es geschafft. Sie wollte nicht, dass er die Gelegenheit ergreifen und
weiter auf dieses Thema eingehen konnte, denn schließlich wollte sie ihm damals
den Hals umdrehen, doch Helios schien längst nicht mehr im hier und jetzt zu
sein. In diesem Moment erschien er Serena so viel weiser und so viel älter als
er aussah.
„Wahrscheinlich
ist mir das nicht einmal gestattet … aber darf ich fragen, wie alt ihr seid?“
Sie
wusste nicht einmal wieso sie das fragte, doch die meisten Götter wirkten so
viel jünger als sie waren, der ein oder andere schien sogar nicht älter als sie
selbst zu sein und dennoch lebten sie bereits so lange. Und eigentlich wollte
sie nur schnell dem vorherigen Thema entkommen, doch
kaum
waren die Worte über die Lippen der Halbgöttin gerutscht, bemerkte sie, wie
plump und unhöflich diese Frage eigentlich war. Die überraschten Blicke des
Sonnengottes bestätigten ihre Vermutung und kläglich versuchte sie zu retten,
was noch zu retten war.
„Es
tut mir leid. Ich hätte das nicht fragen dürfen … es war nicht meine …“
„Ich
weiß es nicht!“, fuhr die sanfte Stimme des Gottes ihr plötzlich ins Wort.
Serena
hielt inne und sah den nachdenklichen Helios irritiert an. Er grinste nicht
mehr, lächelte nicht einmal ein bisschen und die Grüppchen an seinen
Mundwinkeln waren ebenfalls verschwunden.
„W-Was
meint ihr?“
„Ich
weiß nicht, wie alt ich bin“, entgegnete er nach einer kurzen Bedenkzeit und
sah sie selbst sehr überrascht an. „… In all den Jahren vergisst man, was einen
von den Menschen unterscheidet, vergisst das scheinbar Unwichtige, dass man
nicht altert, dass jeder einzelne Tag ein Geschenk ist und dass man nicht wie
andere … einfach irgendwann stirbt … Bei uns geht es immer weiter, jeden Tag …“
Helios biss sich nachdenklich auf seine Unterlippe und zögerte, als würde er
mit sich selbst kämpfen. „Ihr solltet so etwas niemals vergessen, ebenso wenig
wie eure Vergangenheit. Mit euren Erinnerungen unterscheidet ihr euch von uns!“
Seine Stimme wurde immer leiser, bis sie wieder ganz verstummte.
„Ihr
seid der erste, der dieser Meinung ist …“, säuselte sie leise und strich sich
unwohl über den Arm, doch von ihm brauchte sie sich keine Antwort zu erhoffen.
Serena
konnte sich nicht helfen, doch das Verhalten des Sonnengottes wirkte auf sie
mehr als merkwürdig. Er schien völlig geistesabwesend und nicht einmal wirklich
zu realisieren, was er ihr erzählte, geschweige denn was sie ihm sagte.
„Ihr
habt Glück. Die meisten Halbgötter bekommen nicht einmal die Gelegenheit, deren
sechzehnten Geburtstag zu feiern …“, entfuhr es ihm nach einer kurz
eingetretenen Stille, in der er die untergehende Sonne beobachtete, ehe er
seinen Blick wieder ihr zu wandte.
Serena
wich ihm aus. Sie nickte nur zustimmend. Das Leben eines Halbgottes verbarg
viele Gefahren, wie sie selbst schon feststellen musste. Von Hera gehasst, von
den anderen Göttern verabscheut und von den Menschen gemieden, führten die
meisten ein Leben in Einsamkeit, wenn sie nicht bereits im Kindesalter starben.
Sie hatte nur Glück. Auch auf dieses Thema wollte sie nicht weiter eingehen. Es
war ihr unheimlich, so offen mit einem unsterblichen Wesen über den Tod zu
reden. Er wusste doch nicht einmal wie es ist, jeden Tag um das eigene
Überleben kämpfen zu müssen. Wie sollte er dann das grausige Gefühl, die Angst,
vor etwas kennen, das ihn nicht einholen würde?
„Bevor
ich es vergesse …“, erhob sich Helios‘ Stimme wieder, als er etwas aus seinem
Gewand holte. „Mit
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