Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
vergessen.
Auf der Flucht vor den Wachen hatte sie es in der Schmiede zurücklassen müssen.
Es war, neben dem Medaillon, alles was sie noch an Timaios erinnerte. Ein
unbezahlbares Andenken. Serena entfernte sich einige Schritte von Athene und
senkte ihre Blicke.
„Das
ist alles was mir geblieben ist … eine Leidenschaft …“ Athenes Schultern sanken
bei dem Anblick ihrer niedergeschlagenen Schwester. Sie hatte Mitleid. Sie
wollte ihr helfen, aber Zeus würde dies niemals billigen.
„Ich
werde darüber nachdenken Serena …“, durchbrach sie die eingetretene Stille, die
zwischen den beiden herrschte.
Als
Serenas Augen wieder zu ihr aufsahen, konnte sie das Verständnis in denen der
Göttin sehen, doch ebenso die Besorgnis, dass Zeus sie bestrafen würde. Er war
stolz auf seine geliebte Tochter Athene, das war außer Frage, doch er versuchte,
Serena hinter seinem Rücken zu schützen und wollte sicherlich nicht, dass sie
dem Beispiel von Athene folgen würde. Eine Frau, die in die Kunst des
Schwertkampfes eingeführt wurde? - Völlig inakzeptabel.
Enttäuscht
wandte Serena sich wieder ab und sah in die rote Abendsonne, die kurz davor
war, hinter den Bäumen in der Ferne zu verschwinden und die Welt in Dunkelheit
zu hüllen.
Ein
Gefühl der Machtlosigkeit stieg in ihr auf, als ihr bewusst wurde, dass eine
weitere schlaflose Nacht vor ihr lag, in der sie keinen Frieden finden konnte.
„Ich
bringe dich zurück in dein Gemach“, fuhr Athene dann fort und lenkte sie schon in
diese Richtung, doch Serena schüttelte prompt den Kopf.
„Nein,
ich brauche ein wenig Zeit für mich und meine Vergangenheit. Bitte sei mir
nicht …“
„Schon
okay. Du hast Recht. Wir haben immer nur versucht, dich an dieses Leben zu
prägen, ohne dass du die Chance hattest mit dem alten auf deine eigene Weise
abzuschließen.“
Serena
war überrascht über die plötzliche Einsicht der Göttin, nickte ihr jedoch nur
dankend zu und lauschte den, sich entfernenden Schritten, bis sie verstummten.
Eine
Weile blieb sie noch an der Balustrade stehen und dachte über Athenes
plötzliches Verständnis nach. Nie hatte sie sie seit ihrer Ankunft auf dem
Olymp wirklich aus den Augen gelassen, sodass sie für sich sein konnte. Wieso
sollte sie die junge Halbgöttin also nun unbeobachtet lassen?
Gedankenverloren
schritt sie die große Freitreppe hinab und lief zum ersten Mal über den
riesigen Festplatz. Mit der Stille, die um sie herum eintrat, kamen all die
Erinnerungen zurück, die sie in den vergangenen Wochen verdrängt hatte.
Als
Kind hatte sie sich nichts mehr gewünscht, als ein Schwert genauso schwingen zu
können wie Timaios es tat. Er betrachtete jede einzelne Klinge als Teil eines
Ganzen. Ein Schwert war in den Händen eines erfahrenen Kriegers eine tödliche
Waffe und er wusste ein Schwert so zu benutzen, dass es ein Teil des Körpers
wurde. Oft hatte sie ihm zugesehen, wenn er nach einem anstrengenden Arbeitstag
in seiner Schmiede nach Hause kam und seine neuste Kreation an den handgefertigten
Holzpuppen testete.
Eine
Klinge ist nur dann perfekt, wenn sie leicht durch Holz gleitet ,
hörte sie seine warmherzige Stimme sagen. Es war sein Schärfetest, denn selbst
nach mehreren Kämpfen, in denen sie auf andere Schwerter traf, Fleisch und
Knochen durchtrennt hatte und auf Stein schlug, musste sie noch immer
rasiermesserscharf sein. Das hatte für ihn oberste Priorität, aus diesem Grund
waren seine Klingen so legendär. Selbst die Könige aus weit entfernten Städten zählten
zu seinen Kunden, um eine dieser handgefertigten Kostbarkeiten zu besitzen. Nur
für Serena war es mehr. All seine Kreationen hatten einen emotionalen Wert für
sie und Kämpfen war immer das, was sie erlernen wollte, bevor er starb. Nachdem
ihn dieses tragische Schicksal ereilte, hatte sie nur noch selten darüber nachgedacht.
Es erfüllte sie immer mit tiefer Trauer und Schmerz, den sie meiden wollte um
stark zu sein.
Als
sie neben dem großen Brunnen stehenblieb, sah sie zum Olymp auf.
Ein
Palast aus glänzendem Gold , dachte sie sich. In ihren Augen
spiegelten sich neben dem Sonnenlicht all die Gefühle wieder, die nun wieder in
ihr aufkamen. Sie hasste es machtlos zu sein, schwach zu wirken und
unwillkürlich dachte sie wieder an Lisias. Wie musste er sich gefühlt haben,
nachdem die Wachen ihn im Dreck liegen ließen?
Er
wollte kämpfen. Er wollte immer so stark werden, wie Serena es vorgab zu sein,
doch nun war auch sie machtlos. Sie hatte
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