Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
verkrampften sich ihre Hände. Sie hasste sie
nicht, geschweige denn verachtete sie jemanden, der nur um den eigenen Stolz zu
wahren, andere demütigte. Die Halbgöttin bemitleidete ihre Stiefmutter, so tief
gesunken zu sein, dass sie ihren Frust auf ihren Gatten an einem unschuldigen
Kind auslassen musste.
Nun
saß sie oft zur Mittagszeit hier, um alte Mythen zu studieren, wenn sie sicher
war, dass Hera im Thronsaal oder in ihrem heiligen Gartenlabyrinth
umherwanderte, doch er behielt auch nach jedem einzelnen Besuch seine
geheimnisvolle Atmosphäre, die Serena mit den gemischten Gefühlen von Verwirrung
und Angst in Verbindung brachte.
Als
sich die Tür hinter ihr schloss, herrschte eiserne Stille im Raum, sodass sie
nur ihren eigenen Atem wahrnahm.
Das
Wortgelächter, das sie eben noch vor der Tür vernommen hatte, erstarb in jenem
Moment, als ihre Schwester die Tür aufschob.
Schon
wieder ein Geheimnis , dachte die junge Halbgöttin und
schnaufte entnervt auf.
„Serena,
da bist du ja!“ Sie zuckte zusammen und hob leicht wiederwillig den Kopf, wagte
jedoch nicht zu ihrem Vater aufzusehen.
„Verzeiht
meine Verspätung“, erwiderte sie trocken und näherte sich dem Tisch, an dem
Zeus saß. Mit zittrigen Händen stellte sie das Tablett darauf und füllte den
Nektar ein, wobei ihr der leicht süßliche Geruch des Getränks in die Nase stieg
und ihre Mundwinkel verzog. Sie mochte diesen Geruch nicht, denn er benebelte
ihre Sinne und brachte sie zum Würgen. Sie konnte nicht verstehen, was die
Götter diesem Teufelszeug abgewinnen konnten, doch vielleicht nahm man den
beißenden Gestank als unsterbliches Wesen auch nicht mehr wahr und konnte sich
ein Leben ohne diese süßliche Brühe nicht mehr vorstellen.
Sie
reichte eine Tasse ihrem Vater und die andere seinem Tischnachbarn, dabei sah sie
kurz auf um, neugierig wie sie nun mal war, einen Blick zu erhaschen.
Es
war ein junger Mann mit dunkelbraunen kurzen Haaren und tiefgrünen Augen.
Für
einen Moment erstarrte sie. Noch nie hatte sie so leuchtendgrüne Augen gesehen,
die sie zu durchdringen schienen, doch zugleich wurde ihr unwohl in ihrer Haut
und ein kalter Schauer überkam sie.
Als
sie sich schweigend abwandte, spürte sie jedoch noch immer wie seine Blicke an
ihr klebten, er musterte sie regelrecht, auf die gleiche Weise, wie es Poseidon
und Demeter taten.
Er
war keinesfalls einer der olympischen Götter, denn anders als diese, wies er
nicht die für den Adel typische steife Haltung auf, wie sie selbstsicher in
ihren goldenen Stühlen thronten, jedoch auf Serena wirkten, als hätte man ihnen
einen Stock in den Hintern geschoben. Die Hände der Göttinnen lagen stets auf
einander im Schoß und die der Götter ruhten auf den Armlehnen, so, wie ihr
Vater es gerade tat, nachdem er die Tasse wieder auf den Tisch gestellt hatte.
Es schien angeboren zu sein, dieses seltsame steife Verhalten, völlig
unmenschlich, doch schließlich waren sie auch keine.
Wieder
wandte Serena ihre Blicke von ihrem Vater ab und ließ sie langsam wieder zu dem
Fremden wandern, der sie noch immer musterte.
Lässig
hatte er sich in den Sessel zurückgelehnt und legte scheinbar keinerlei Wert
darauf, sich eines Gottes würdig zu benehmen und so vermutete Serena, dass er
auch nicht wusste, wer sie in Wirklichkeit war, dass er vor sich einfach nur
eine neue Bedienstete des Olymps sah. Aus diesem Grund fand sie sich schnell in
ihrer Rolle als Bedienstete wieder, verbeugte sich kurz vor ihnen und wollte
sich der Tür zuwenden, um schleunigst wieder zu verschwinden.
„Mein
Kind, komm zu mir!“ Prompt hielt Serena inne und blickte zögernd zu ihrem Vater
auf, der sie sanft anlächelte. Seine braunen Augen funkelten im schwachen
Schein des eintretenden Sonnenlichtes und irritierten die junge Halbgöttin
zunehmend.
Für
einen Moment fragte sie sich, ob sie sich verhört hatte, doch als er ihr
schließlich sogar seine große Hand reichte und verdeutlichte, dass sie zu ihm
kommen solle, griff sie langsam nach ihr und trat zögernd an den Herrscher
heran.
Seine
Hand war warm und verschwitzt. Er schien sichtlich nervös, was auch sie wieder
unweigerlich zum Zittern brachte, allerdings versuchte sie, sich nichts
anmerken zu lassen.
Fragend
blickte sie ihn an und betete innerlich, dass die leuchtendgrünen Augen, die
sie noch immer aufs Genauste musterten, ihr nicht die Standfestigkeit rauben
würden.
Zeus
strich ihr eine Strähne hinter ihr Ohr, die sich aus ihrem Zopf gelöst
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