Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
sie durch ihre liebreizenden Augen ihre wahre Stieftochter gesehen hatte,
würde sich diese Furcht weiter ausbreiten, bis sie sie verschlungen hatte.
„W-Warte …!“, stotterte die Frau mit
zitternder Stimme, als sie nicht glauben wollte, dass sie das Monster dazu
veranlasst hatte, stehen zu bleiben. „Also hatte ich die ganze Zeit Recht … Du
hast Zeus und all den anderen etwas vorgemacht, dich als hilflose Tochter
aufgespielt, die einfach nur auf der Suche nach Liebe war, um an den Olymp zu
gelangen …“, keuchte sie leise, als sie sich langsam in ihren Stuhl zurücksinken
ließ. Sie schien nun wieder viel selbstsicherer, hatte sie die vermeidlich
liebende Tochter doch entlarvt. Zeus würde sie sicherlich vom Olymp verbannen,
würde er das erfahren. Und die Göttin bräuchte sich dann sicherlich nicht mehr
vor ihr fürchten.
Einen
Moment war es still, in dem Hera nur ihren eigenen Herzschlag hörte.
„Das
war es doch, was ihr hören wolltet …“, erwiderte Serena plötzlich leise. Die
Halbgöttin wandte ihren Kopf um und sah über die Schulter zurück in die nun
fragenden Augen Heras. „… oder nicht?“
Die
Göttin, nun sichtlich irritiert, erhob sich und stemmte ihre Hände auf den Tisch,
als wolle sie Serena zeigen, dass nicht mehr sie am längeren Hebel saß.
Die
junge Frau wandte sich nun ganz zu ihr um und sah sie mit ihren großen
goldbraunen Augen an.
„Genau
das war es doch, was ihr aus meinem Mund hören wolltet, um endlich einen
plausiblen Grund zu haben, mich zu hassen!“
Hera
wusste nicht wie sie reagieren und was sie glauben sollte. War das eine Masche,
um sie in die Irre zu führen? Ein Trick, um sie auszuspielen? Sie konnte ihre
Blicke nicht deuten und somit auch nicht ihre Person durchschauen. Zum ersten
Mal seit langem war sie einfach nur ratlos.
„Was
meinst du?“, fuhr sie stotternd fort, während sie an den zarten schmalen Lippen
ihrer Stieftochter hing. Diese atmete kurz durch und ließ ihre angespannten
Schultern sinken.
„Seitdem
ich hier angekommen bin, versucht ihr mir das Leben schwer zu machen, wollt
mich für eine Tat bestrafen, die mein Vater beging und auch davor schon des
Öfteren begangen hatte. Alle habt ihr sie gehasst, alle, die in euren Augen
nicht würdig erschienen, weil sie das Resultat eines Seitensprungs waren. Allen
habt ihr euren Hass zu spüren bekommen lassen, sowohl auf der Erde als auch auf
dem Olymp. Ihr habt sie wie Dreck behandelt, weil ihr glaubtet, sie würden euch
eines Tages alles weg nehmen wollen und das gleiche dachtet ihr auch von mir,
nicht wahr?“ Sie hielt kurz inne, musterte ihre Stiefmutter und ihre Gestik,
doch sie konnte daraus nichts lesen. Auch ihre Augen schienen kalt und leer,
als würde sie das alles völlig unberührt lassen.
Serena
verschränkte nachdenklich ihre Arme und sah wieder zu dem großen Gemälde von
Zeus, der auf seinem goldenen Stuhl thronte, voller Selbstsicherheit und
Erhabenheit.
„Ihr
liebt ihn, obwohl er euch so oft hintergangen hat.“, fuhr sie nun fort und sah
wieder zu Hera, deren eiserne Mauer nun die ersten Risse bekam. „Ihr habt
darauf gewartet, dass ich nur einen Fehler begehe, um mich endlich loswerden zu
können, um nicht länger mein Gesicht sehen zu müssen und die Demütigung zu
ertragen. Ihr habt euch aber nie die Mühe gemacht, auf mich zuzukommen und mit
mir zu reden … weil ihr dachtet, ich wäre einfach nur auf einen Platz auf dem
Olymp aus.“
Sie
schüttelte den Kopf und sah das Medaillon an, das um ihren Hals hing. Sie hatte
es jetzt nicht ein einziges Mal abgelegt. Sie hatte nicht einmal darüber
nachgedacht. Warum auch? Es erinnerte sie an ihre wirkliche Heimat, wo sie geboren
wurde, wo sie her kam und ihre schönsten Erinnerungen erlebt hatte.
Bei
diesem Gedanken huschte ein leichtes Lächeln über ihre Lippen, das auch Hera
nicht verborgen blieb.
„Wieso
das alles?“, ertönte es nun von ihr.
Serena
blickte wieder zu ihr auf. Sie sah die tausend Fragen in den Augen ihrer
Stiefmutter. Ihre Stimme klang plötzlich viel wärmer und ruhiger. Es war das
erste Mal, dass sie diesen ruhigen Klang vernahm.
„Mir
hat einmal jemand erzählt, dass nicht alles so ist, wie es auf den ersten Blick
scheint. Also habe ich dieses Spiel inszeniert und versucht, eure Lage zu
verstehen. Dabei wurde mir klar, dass es nicht der Hass ist, der euch quält, es
ist die Angst. Die Angst davor, dass ich Zeus wichtiger sein könnte als ihr und
das, wenn es einmal dazu kommen würde und er
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