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Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Titel: Das Siegel des Templers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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wenn sie sich ungewohnt anfühlen. Nur die Schuhe sind ein wenig zu groß. Juliana sucht sich ein paar Leinenlumpen aus der Küche und wickelt sie um die Füße, bis die Schuhe leidlich passen. Sie geht ein wenig in der Stube auf und ab.
    Und so soll sie bis ins ferne Kastilien kommen? Auf diesen Sohlen? Zweifelnd sieht sie an sich herab. Wie viel einfacher und schneller ist es zu reiten! Sie wird ihre Stute mitnehmen, dann kann sie den Vater sicher bald einholen.
    Aber wie kann sie als Bursche auf einem Damensattel reiten?
Soll sie sich etwa einen Sattel stehlen? Wer soll ihn dem Pferd auflegen? Kann sie sich überhaupt auf Männerart auf dem Pferderücken halten? Außerdem ist die Stute ein viel zu auffälliges Tier, das eine Spur legen würde, die kein noch so einfältiger Verfolger übersehen könnte. Und woher soll sie das Geld nehmen, sich und das Ross auf solch einer Reise zu ernähren?
    Juliana seufzt. Nein, sie kann das Tier nicht mitnehmen, sie muss die Reise zu Fuß tun, mit einem Rucksack auf dem Rücken, wie alle reuigen Sünder, die nach Santiago pilgern.
    »Ich bin keine Sünderin! Und ich pilgere auch nicht«, begehrt sie noch einmal trotzig auf.
    Keine Sünderin? Welcher Hochmut!, wispert eine Stimme in ihrem Kopf. Du hast deine Mutter belogen und alle anderen auf Ehrenberg, die dir vertrauen. Du hintergehst den Pater – das Herz wird ihm brechen! Ja, selbst all die Menschen, die du auf deiner Reise treffen wirst, willst du mit deiner Maskerade hinters Licht führen. Du stiehlst Tilmanns Kleider, du verstößt gegen Anstand und Sitte. Oh nein, du wirst keine Sünden zu bereuen haben, wenn du vor den Altar deines Schöpfers trittst!
    Juliana will diese Stimme nicht hören. Sie läuft durch das Haus, einen Leinenrucksack in den Händen. Was soll sie mitnehmen? Sie braucht Wasser und Essen, Nadel und Faden, um die Beinlinge zu stopfen. Hat die Mutter irgendwo Geld zurückgelassen? In der Schatulle sind Pfennige, ein wenig Silber und ein einzelner Gulden. Das Mädchen hält eine schmale Goldkette und eine Brosche mit Perlen in den Händen.
    Oh nein, gar keine Sünden, schallt es in ihrem Kopf, und ein schadenfrohes Gelächter erklingt.
    »Vielleicht hängt mein Leben davon ab!«, ruft sie und lässt die Schmuckstücke im Rucksack verschwinden. Sie kann nur hoffen, dass die Mutter ihr einst verzeihen wird.
    Mit Pater Vitus’ Hut auf dem Kopf, den dieser hier zurückgelassen hat, und einem prallen, viel zu schweren Bündel auf dem Rücken, macht sich das Ritterfräulein kurz nach Mitternacht auf den Weg. – Nein, nicht Ritterfräulein Juliana, verbessert
sie sich selbst. Der Knappe Jul – hm, Tilmann? Nein: Johannes, ja das ist gut. Für einen Augenblick denkt sie an den kleinen Bruder, der nur so kurz auf dieser Erde weilen durfte, dann verjagt sie die traurigen Gedanken der Vergangenheit. Sie muss geradeaus sehen und sich auf die große Aufgabe konzentrieren, die vor ihr liegt. Der Knappe Johannes wird über die Straße nach Santiago wandern, auf der Suche nach seinem Vater.
    Sie wartet, bis der Nachtwächter in Richtung Kirche davongeht, und eilt dann durch die nächtliche Gasse zum Spital hinunter. Wieder einmal dankt sie den Stadtvätern, dass der Mauerbau sich hinzieht und sie ungesehen und ohne unbequeme Fragen Wimpfen am Berg verlassen kann.

    Das Ritterfräulein wandert durch die Nacht. Trotz der Tücher, die sie sich fest um die Füße geschlungen hat, drücken die ungewohnten Schuhe, und die Nacht kommt ihr kalt und feindselig vor. Noch hat sie keine Schwierigkeiten, ihren Weg zu finden. Die Straße nach Heilbronn ist ausgefahren und folgt dem Neckarufer nach Süden. Sie muss den unteren und den oberen Ort Eisesheim queren, deren Lehensherr der Weinsberger ist. Juliana versucht, nicht daran zu denken, wie ihr Leben verlaufen könnte, würde die Familie des Weinsbergers sich mit den Ehrenbergern verbinden wollen. Wenn der Vater nicht in die Fremde geschickt worden wäre, wenn er den Vetter nicht niedergestochen hätte! Es sind immer die gleichen Satzfolgen, die sich in ihrem Geist zusammenfügen. Es ist wie ein Mühlrad mit dem stets gleichen Geklapper. Das Schicksal hat die Familie von ihrem Weg abgedrängt, und nun bleibt ihr nur die Wahl, Wilhelm von Kochendorf zu heiraten, unter seiner Hand auf der Burg zu sitzen und zu hoffen, den Vater irgendwann wiederzusehen oder ihren Pfad selbst zu bestimmen und dem Vater auf seiner Straße zu folgen.
    »Du hast dich entschieden!«, mahnt sie

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