Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
kümmern. Schließlich kann es nicht schaden, ihn zu überzeugen, dass sie die richtige Wahl ist!
Nun, nachdem er viel gegessen und noch mehr getrunken hat, findet Juliana den blonden Ritter Carl in guter Stimmung, und er ist gern bereit, seinen Charme über der Tochter des Hauses auszuschütten. Zu Julianas Freude gelingt es ihm auch vortrefflich, den Kochendorfer in Schach zu halten, der sich aufdringlich immer wieder in ihr Gespräch einmischt. Mag es daran liegen, dass er ihm in Geist und Witz überlegen ist, oder daran, dass Wilhelm von Kochendorf noch betrunkener ist als der Rivale. Juliana wirft ihm einen angewiderten Blick zu, den er mit einem Grinsen erwidert. Offensichtlich ist er nicht mehr in der Lage, Feinheiten zu erkennen, und deutet jede ihrer Regungen als Ermunterung.
Da sich Carl mit dem dringenden Bedürfnis sich zu erleichtern für kurze Zeit von ihr verabschiedet, wendet Juliana dem Kochendorfer den Rücken zu und lässt den Blick durch die rauchverhangene Halle schweifen. Weder der Vater noch Konrad von Weinsberg sind nach ihrem Streit hierher zurückgekehrt. Germar, der Waffenknecht des Weinsbergers, lungert nun in der Nähe der Tür herum und tritt immer wieder in den Hof hinaus, als würde er nach seinem Herrn Ausschau halten. Am anderen Ende des Tisches sitzt die Mutter mit den anderen Damen und dem Pater im Gespräch. Auch die alte Kinderfrau ist auf Anweisung der Hausherrin nach unten gekommen, nachdem Johannes seinen Schlaftrunk erhalten hat. Ihr gegenüber sitzt Carls jüngerer Bruder mit gelangweiltem Blick. Wilhelm von Kochendorf unterbricht ihre Betrachtungen und rutscht so nah an sie heran, dass sie seinen Weinatem riechen und seine Wärme spüren kann. Seine Worte sind bereits so undeutlich, dass sie sie kaum versteht. Er legt den Arm um ihre Taille.
»Lasst mich los!«, faucht sie ihn an. »Ihr benehmt Euch wie ein rüder Bauer!«
Er lacht und schwankt leicht, hält sie aber weiterhin fest. »Macht Euch keine falschen Hoffnungen«, lallt er. »Am Ende kriege ich Euch, lasst Euch das gesagt sein.«
»Das Einzige, das Ihr gleich kriegt, ist eine blutige Nase«,
zischt das Mädchen und krallt ihre Finger in seinen Arm, um ihn von sich zu lösen.
»Und wer sollte mir die verpassen?«, antwortet Wilhelm kichernd.
»Ihr Vater vielleicht?«
Die Stimme hinter ihm lässt ihn mit einem Schrei von seinem Sitz auffahren. Juliana kippt fast von der Bank, so plötzlich, wie er sie loslässt.
»Ritter Wilhelm von Kochendorf!« Der Vater nähert sein Gesicht dem des betrunkenen jungen Mannes. Trotz des düsteren Scheins, den die Fackeln an den Wänden verbreiten, kann Juliana die roten Flecken erkennen, die seinen Ausbrüchen von Jähzorn vorauseilen. Am liebsten würde sie wie früher unter den Tisch kriechen und sich die Hände auf die Ohren pressen, doch zu ihrer Verwunderung bleibt des Vaters Stimme gesenkt.
»Ihr seid hier als Gast in unser Haus geladen, daher fordere ich Euch auf, Euch wie ein solcher zu benehmen. Ich bin Eurem Vater in Freundschaft zugetan, aber ich verspreche Euch, solltet Ihr es noch einmal wagen, meine Tochter mit unsittlichen Worten zu belästigen oder sie gar zu berühren, dann stoße ich Euch mein Schwert in den Leib. Keiner darf leben, der meiner Tochter oder meinem Weib zu nahe tritt! Diesen Schwur habe ich schon vor langer Zeit getan. Ihr wärt nicht der Erste, der das plötzlich und endgültig lernen muss!«
Eine unliebsame Erinnerung, die sie erfolgreich verdrängt geglaubt, steigt in Juliana auf und lässt sich nur mühsam bändigen. Nein, das ist nicht wahr. Das kann nicht sein!
»Ihr Gatte wird sie einst heimführen, dann ist sie sein. Doch bis zu dem Tag, an dem der Pfarrer seinen Segen über sie gesprochen hat, gehört sie mir!«
Wilhelm scheint vom Zorn des Vaters nicht sehr beeindruckt zu sein. »Ach ja, ihr Gatte, den müsst Ihr leider an ihre Haut lassen«, spottet der junge Ritter. Juliana kann kaum mehr atmen vor Anspannung. Ist der Wein ihm so sehr zu Kopf gestiegen, dass er so viel Mut – nein, Leichtsinn zeigt?
»Und Ihr werdet das bestimmt nicht sein«, faucht der Ehrenberger.
Wilhelm dreht sich noch ein Stück weiter zu dem wütenden Ritter um und betrachtet ihn nachdenklich. »Warum eigentlich nicht? Wisst Ihr, das mit den Gefälligkeiten ist eine seltsame Sache. Man denkt, man wäre derjenige, der sie einfordern darf, und stellt dann unvermittelt fest, dass sich die Rollen geändert haben und man derjenige ist, der zu geben
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