Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
können.«
»Und dennoch ist es so!«, bekräftigt das Mädchen. »Isolde ist schlanker und kleiner als die meisten Falken – und sie zeigt großen Mut!«
Juliana wickelt ein Stück Fleisch, das sie in der Küche stibitzt hat, aus einem Leinenfetzen, sieht rasch zur Tür und hält dann der Falkendame den Leckerbissen entgegen. Isolde lässt sich nicht lange bitten.
»Das dürft Ihr aber nicht dem Vater verraten«, beschwört Juliana den Gast. »Ich darf seine Vögel nicht füttern.« Dennoch geht sie zu den beiden jungen Terzeln und auch zu des Vaters Habicht und gibt jedem Greif seinen Anteil.
»Schade dass der Vater keinen Adler hat. Es sind prächtige Tiere! Euren Vetter von Gemmingen habe ich einst mit einem
grauen Felsenadler gesehen. Welch wunderbare Jagdflüge muss es mit solch einem Greif geben!«, schwärmt das Mädchen.
Swicker betrachtet die beiden jungen Terzel, die nun versuchen, auf die Stange des anderen zu gelangen. Sie hüpfen und flattern, doch die ledernen Fesseln an ihren Beinen halten sie zurück.
»Es ist nicht die Größe des Vogels, die einen sehenswerten Flug und einen spannenden Kampf ausmacht. Ich habe mir einst einen Merlin abgetragen, und ich versichere Euch, nie wieder habe ich spannendere Beizen erlebt als in diesem Sommer und Herbst, bis ich ihn wieder freiließ.«
»Ein Merlin? Was ist das für ein Vogel?«, fragt Juliana.
»Ein kleiner Falke. Der kleinste aller Falken! Der Merlinterzel ist kaum größer als eine Schwarzdrossel.«
Juliana sieht ihn zweifelnd an. »Und was jagt Ihr mit solch einem kleinen Vogel?«
»Unterschätzt ihn nicht, nur wegen seiner Größe, mein edles Fräulein. Man kann mit dem Merlin Tauben und Rebhühner beizen, aber am spannensten ist die Lerchenjagd. Esst Ihr gerne Lerchen?«, fragt er sie augenzwinkernd.
»Oh ja – in Honig gebacken!«
»Die Lerche ist ein flinker, kleiner Vogel, der einem Falkenangriff geschickt auszuweichen versteht. Sie kann sich aus großer Höhe wie ein Stein herabfallen lassen und selbst im niedrigsten Gebüsch Deckung finden. Nur im August und im September, wenn sie in der Mauser ist, kann ein Greif sie schlagen. Wir haben Lerchen mit zwei eingespielten Merlinfalken gejagt. Es war wie eine Reiherbeize – nur im Kleinen.«
Schritte erklingen, dann betritt jemand den Stall. »Ritter Swicker?«, ruft der Ehrenberger.
»Ja, wir sind hier drüben und bewundern Eure wundervollen Greife«, antwortet der Templer arglos, bietet Juliana den Arm und führte sie dem Vater entgegen. Der Hausherr steht noch immer in der offenen Tür und starrt den Templer und seine Tochter an.
»Was tut Ihr hier?«, fragt er leise, doch der drohende Unterton entgeht weder dem Mädchen noch dem Besucher.
»Wie ich es schon sagte, Eure Tochter war so freundlich, mir Eure Beizvögel zu zeigen. Keine Sorge, wir sind ihnen nicht zu nahe gekommen und haben sie nicht beunruhigt«, sagt er und verbeugt sich. Die Miene des Ehrenbergers scheint sich noch mehr zu verfinstern.
»Und dem Fräulein bin ich ebenfalls nicht zu nahe getreten, falls das Eure Sorge sein sollte«, fügt er nun ebenfalls in schärferem Ton hinzu. Wie zufällig legt sich seine Hand auf den Griff seines Schwertes. Auch der Hausherr umklammert das kühle Metall an seiner Seite. Entsetzt sieht Juliana von einem zum anderen. Das können sie nicht ernst meinen. Das muss ein Scherz unter Rittern sein, den sie nicht versteht!
»Ritter Swicker?« Die Stimme des Wappners scheint die beiden Männer in die Wirklichkeit des abendlichen Burghofs zurückzubringen. Sie fahren herum und sehen zur Tür des Palas hinüber, durch die Bruder Humbert in den Hof tritt. Er geht auf Vater und Tochter und den Ordensbruder zu. Die Spannung unter den Männern scheint noch immer greifbar, auch wenn sich die Hände von den Waffen gelöst haben.
»Ist Euch etwas geschehen?« Der dienende Bruder läuft zu seinem Herrn und stellt sich mit grimmiger Miene schützend vor ihn. Swicker legt die Hand auf die von grobem braunem Stoff bedeckte Schulter des untersetzten Mannes. Sein Lächeln wirkt natürlich, und auch aus der Stimme ist der drohende Unterton gewichen.
»Aber nein, Bruder Humbert, mein treuer Begleiter, was soll mir denn hier in der Burg unseres Freundes von Ehrenberg geschehen? Wir sind als Gäste geladen!«
Der Wappner stemmt die Hände in den massigen Leib und neigt den kahlen Schädel. »Es kam mir so vor, als hätte ich barsche Stimmen vernommen«, sagt er leise und wirft dem Hausherrn einen
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