Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
der ein Kreuz hing, das mit Smaragden und Rubinen geschmückt war. Diese glitzerten im Licht der Öllampen. Auch an ihren Händen konnte sie Schmuck sehen. Drei mit Juwelen besetzte Ringe aus Gold. Die edle Nonne sprach einen Segen und verschwand dann die Treppe hinunter. Ihre Röcke raschelten leise.
»War das eure Äbtissin?«, fragte Juliana verwundert. Die Laienschwester lachte hell.
»Aber nein, unsere Äbtissin ist Doña Urraca Alfonso. Um solche Kleinigkeiten kümmert sich die Nonne, der die Aufsicht über das Spital übertragen wurde. Es gibt übrigens nur wenige Damen, die nicht in strenger Klausur leben und somit eine Aufgabe hier draußen annehmen.«
»Nur eine Nonne«, staunte das Mädchen. »Sie sah so – so königlich aus.«
Dieses Mal lachte die Laienschwester nicht. »Nun, das ist sie auch fast. Sie ist eine de Lara.« Pater Bertran nickte wissend, Juliana zuckte nur fragend mit den Schultern.
»Die de Lara sind neben den de Haro eine der mächtigsten adeligen Familien in Kastilien«, erklärte ihr der Augustiner. »Natürlich stehen sie stets auf unterschiedlichen Seiten. Wenn die de Lara den König unterstützen, dann sind die de Haro Anhänger eines aufmurrenden Infanten oder umgekehrt.«
»Ich würde gern einmal einen Blick auf Doña Urraca Alfonso werfen«, sagte Bruder Rupert, als sie in ihrer Kammer vor einer Schüssel mit Fleisch, Gemüse und weißem Brot saßen. Der Wein
war dunkelrot und schwer. »Man sagt, die Äbtissin von las Huelgas sei nicht nur die mächtigste Frau Kastiliens, nein, der ganzen christlichen Welt!«
»Die mächtigste und die reichste Frau – zumindest wenn man ihr all die Güter und Dörfer zuschreibt, über die sie für das Kloster frei entscheiden kann«, stimmte ihm Pater Bertran zu. »Nicht einmal der König darf ihr heutzutage etwas vorschreiben. Sie untersteht nur dem Papst – und vielleicht auch dem Haupthaus der Zisterzienser in Cîteaux.«
Juliana gähnte. Staunend sah sie sich immer wieder in ihrem Quartier um. Es hatte nichts gemein mit den Lagern, in denen sie so viele Nächte geschlafen hatte. Hier standen richtige Betten, und der Boden war mit frisch duftenden Binsen belegt. Zwar waren die Matratzen wie überall mit Stroh ausgestopft, doch auf ihnen lagen richtige Bettdecken, mit Federn gefüllt! Vermutlich gab es hier nicht einmal Ungeziefer. Und das Essen war sicher besser und reichhaltiger als in jedem Wirtshaus in ganz Burgos! Sie fühlte sich satt und schläfrig. Die Krämpfe in ihrem Leib waren für eine Weile abgeflaut, und mit den Leinenstreifen zwischen den Beinen musste sie nicht mehr fürchten, sich durch blutige Flecken im Gewand zu verraten. Endlich löschten die Männer das Licht und krochen unter ihre Decken.
Als ihre gleichmäßigen Atemzüge den Raum erfüllten, kehrten Julianas Gedanken zu der Taverne am Stadttor zurück und zu Ritter Raymond de Crest. Noch immer konnte sie sich keinen Reim darauf machen, wovon der Ritter gesprochen hatte und wonach die Männer offensichtlich so verzweifelt suchten. Etwas sehr Wertvolles musste in diesem Umschlag stecken. Und eines war sicher, sie hatte nichts in ihrem Besitz, das eine Verfolgung durch ein halbes Dutzend Königreiche rechtfertigte! Irgendjemandem war ein Fehler unterlaufen, das war klar, doch wer steckte dahinter, und was suchten die Männer? Langsam webten sich Träume in die Gedanken, die keine Lösung finden konnten, so abenteuerlich die Ideen auch waren, die sie vorbrachten.
30
Der Brief
Burg Ehrenberg im Jahre des Herrn 1307
N och ein Toter! Der Gestank und das Bild des Panzerschuhs mit dem herausragenden Knochen will ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen. Fünf Nächte ist der Vater jetzt weg, und jeder Tag bringt einen neuen Schrecken und neue Fragen, die sie nicht beantworten kann. Seit sie die Leiche des Ritters im Verlies entdeckt haben, führen sich die beiden Templer noch unverschämter auf. Der Franzose hat es sogar gewagt – als die Damen mit Pater Vitus in der Bergkirche waren –, in den Frauenbereich des Palas einzudringen und den persönlichen Besitz der Edelfrau und ihrer Tochter zu durchwühlen! Linde, die kleine, zierliche Küchenmagd, hat ihn zufällig gesehen und es dem Edelfräulein erzählt.
Selbst ein Franzose müsste wissen, dass der Burgherr der einzige Mann ist, der die Frauengemächer betreten darf! Für solch einen Frevel hätte der Vater jeden Eindringling sofort getötet – sei er nun Knecht oder Ritter. Aber der Vater ist
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