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Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Titel: Das Siegel des Templers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Bohlen und dem Truhenboden ist so schmal, dass ihr Arm stecken bleibt. Noch einmal leuchtet sie und späht hinein, die Wange fest an den Boden gedrückt.
    Ja, da liegt etwas. Sie holt die längste Feder aus der Truhe und versucht noch einmal, das weiße Etwas zu sich zu ziehen. Behutsam schiebt sie es ins Licht.
    Was ist das? Sie hebt einen Umschlag mit gebrochenem Siegel auf und dreht das schwere, teure Pergament im Lampenschein hin und her. Das Siegel des Vaters ist es jedenfalls nicht und auch sonst kein Wappen, das sie schon einmal gesehen hat. Die Worte sind in keiner Sprache geschrieben, die sie kennt. Seltsam. Sie hält den Umschlag näher ins Licht. Was ist das auf dem Siegel? Ein Tier und zwei Menschen. Ein Pferd? Mit zwei Reitern?
    Plötzlich hat sie das Gefühl, als würde sie jemand beobachten. Juliana fährt herum, aber da ist niemand. Schwarz und leer sieht die Türöffnung sie an. Und doch hätte sie schwören können,
dass sich gerade noch ein Blick in ihren Rücken gebrannt hat! Ihre Nackenhaare sträuben sich. Juliana springt auf, umklammert mit der einen Hand das Binsenlicht und drückt mit der anderen den Umschlag an ihre Brust. Ihre nackten Füße eilen die Treppe hinunter. Ohne noch einmal innezuhalten, läuft das Mädchen in seine Kammer zurück.

    Soll sie Ehrenberg wirklich verlassen und allein auf die Reise gehen?
    Die Morgensonne scheint durch das offene Fenster. Juliana ist in ihrer Kammer. Sie hat ihre Schätze vor sich auf der Bettdecke ausgebreitet: ein abgerissenes Haarband, das Wolf ihr geschenkt, ein durchbohrtes Geldstück, das der Dekan in der Erde gefunden hat. Er behauptet, es sei sehr alt, aus der Zeit, da die Römer in Wimpfen hausten. Das bestickte Tüchlein ist von der Mutter, die Glocke hat Vaters früherer Lieblingsfalke am Bein getragen. Der Ritter hat sie ihr geschenkt, als er den Greif vor dem Winter in die Freiheit entließ.
    Ihr jüngstes Sammlungsstück ist die Muschelschale von Ritter Swicker. Vom Ende der Welt sei sie, hat er gesagt.
    Eine Weile starrt Juliana auf die Gegenstände herab. Seltsam, sie zurückzulassen, fällt ihr schwerer, als all ihren Schmuck oder die feinen Gewänder zu verlieren. Es ist, als würden die kleinen Erinnerungen sie mit den Menschen verbinden, zu denen sie geh örten, und ihr Kraft geben.
    Juliana sammelt die Kleinodien zusammen und packt sie in den Umschlag, den sie in der Nacht unter der Truhe gefunden hat. Sie wird sie auf ihrer Wanderung mitnehmen! Und es ist ihr, als könne ihr nichts passieren, solange sie eine Erinnerung an die Menschen, die ihr wichtig sind, bei sich trägt.



31
Die Meseta
     
    R itter Raymond de Crest tauchte auch am anderen Morgen nicht auf, obwohl die Pilger erst spät aufbrachen. Juliana wunderte sich nicht, und auch ihre beiden Begleiter im Mönchsgewand verloren darüber kein Wort. Nur André fragte, wo der Ritter geblieben sei.
    Zu viert folgten sie noch eine Weile dem breiten Fluss und verließen ihn dann, nachdem sie die Brücke überquert hatten, neben der ein kleines Pilgerspital unter ein paar staubigen Pappeln stand. Drei Reiter kamen von Osten herangeprescht und bogen dann auf einen Weg ein, der sich in spitzem Winkel nach Nordwesten bog. Die Pilger sprangen in den Graben, um ihnen Platz zu machen.
    »Rücksichtsloses Pack!«, grummelte Pater Bertran. »Die wollen sicher nach Olmillos.«
    »Meint Ihr Olmillos de Sasamón? Ich habe den Namen schon einmal gehört. Was ist das für ein Ort?« Sie spürte den bohrenden Blick des Bettelmönchs in ihrem Rücken und zwang sich dazu, sich nicht umzudrehen.
    Der hagere Pater spuckte ins Gras. »Eine Templerburg, ein paar Wegstunden von hier.«
    Templer! Schon wieder Templer. War Raymond de Crest gar einer von ihnen? Vielleicht. Sie hatten ihn geschickt, um das Eigentum, das der Vater dem Toten entwendet hatte, wieder an sich zu bringen. Ihr Vater ein Mörder und Dieb! War der Gedanke nicht noch schlimmer als der Verdacht, er habe aus falscher Eifersucht oder Jähzorn getötet? Die Vermutung brannte wie Säure in ihrem Hals. Juliana versuchte, die Gedanken wegzuschieben. Der Himmel war heute wolkenlos, und ein stürmischer
Wind zerrte an ihrem Umhang. Es würde ein schöner Tag werden, an dem das Wandern leicht voranging!
    Hinter dem nächsten Dorf führte ihr Weg in ein sumpfiges Tal hinab. Sie konnten Rabe 19 auf der anderen Seite des Flüsschens bereits zum Greifen nahe sehen, doch der Pfad durch den Morast ließ sie nur sehr langsam vorankommen.

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