Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
André fluchte. Dreimal rutschte er aus und versank bis über die Knie im schlammigen Wasser. Manches Graspolster, das einen sicheren Tritt versprach, gab tückisch unter dem Stiefel nach und versank. Dichtes Schilf nahm ihnen immer wieder die Sicht. Je höher die Sonne stieg, desto dichter wurden die Schwärme von Stechmücken, die um ihre Köpfe surrten, um sich an ihrem Blut zu laben. Auf Julianas Wangen beulten sich bereits einige rote Pusteln, die schmerzten und juckten, Bruder Rupert ging es nicht besser. Sein ganzer Hals war von Stichen übersät. Nur den Pater schienen die Mücken nicht zu behelligen. In seinen Sandalen schritt er geschickt voran und ließ sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Nachdem das Mädchen ihn eine Weile beobachtet hatte, eilte sie zu ihm und ging nun dicht hinter ihm her. Eine kluge Entscheidung, dachte sie, als André kurz darauf wieder einmal fluchend bis zu den Waden im Morast versank. Wie waren sie alle froh, als sie endlich die gepflasterte Römerstraße von Rabe erreichten.
Nach dem Dorf breitete sich eine weite, sanft hügelige Ebene vor ihnen aus, auf der das reife Korn im Morgenwind wogte. Kaum ein Baum war zu sehen, so weit der Blick auch reichte, nur Felder und niedrige Steinmauern. Die meisten waren bereits abgeerntet, so dass die gelben Stoppeln mit der dunkel hervorschimmernden Erde den einzigen Farbkontrast boten. Nur ein paar flache Bachtäler gliederten die eintönige Landschaft. Die Dörfer wurden weniger und ärmlicher. Ja, auch sie wirkten irgendwie ausgedörrt. In einiger Entfernung erspähte Juliana eine Gruppe Pilger, die am Morgen früher als sie vom Hospital del Rey aufgebrochen war.
Die Sonne stieg höher, wärmte sie und zwang sie, die Mäntel auszuziehen. Bald schwitzten sie, und die Füße glühten unangenehm in den Schuhen. Der Wind war so heiß, dass er selbst das Wasser aus ihren Flaschen zu saugen schien. So wurde jeder Bachlauf freudig begrüßt, selbst wenn sein Wasser nicht ganz rein schien.
Die vier Wanderer stiegen über einen Hügelkamm und dann hinunter nach Hornillos 20 , das sich auf der anderen Seite eines Flüsschens am Weg entlangschlängelte. Es war eines dieser Dörfer, das mit und von den Pilgern lebte, die täglich vorbeizogen. Benediktiner führten hier ein Spital, und ein wenig abseits gab es ein Haus für Aussätzige.
Noch einmal füllten die vier Reisenden ihre Kürbisflaschen, ehe sie auf die Hochebene hinauswanderten. Mittag war längst vorüber, und so brannte die Sonne unbarmherzig herab. Der Wind schien aus einem Backofen zu stammen, und weit und breit spendete kein Baum ein wenig Schatten. Stumm tappten sie hintereinander her. Julianas Augen brannten, die Haut war trocken und schien in Gefahr, bei einer unbedachten Bewegung aufzureißen. Jeder Schweißtropfen verflüchtigte sich sofort mit der nächsten Windböe.
Endlich senkte sich der Weg in ein Tal ab und führte sie durch das nächste Straßendorf. Für eine Verschnaufpause duckten sie sich in den Windschatten der Kirche und aßen die letzten Kanten Brot, die so hart schienen wie der ausgedörrte Boden.
»Gehen wir heute noch weit?«, wagte Juliana zu fragen. Ihr taten Unterleib und Beine weh, und die Füße brannten. Ihr Gesicht war von den Insektenstichen am Morgen geschwollen, und es kostete sie alle Beherrschung, die sie aufbringen konnte, sich nicht blutig zu kratzen. Um ihren Hals war noch immer ein Verband geschlungen, der schweißnaß und voller Staub war.
»Ich denke, wir können Castroxeris noch vor der Dunkelheit
erreichen. Dort sind Franziskaner und auch Dominikaner. Ich glaube, dort gibt es insgesamt vier Unterkünfte für Pilger«, gab Pater Bertran Auskunft. Er schien heute noch hagerer. Vielleicht hatte ihn der Wind noch weiter ausgedörrt. Sein Gesicht glich fast einem Totenschädel, so tief lagen die Augen in ihren Höhlen.
Das Mädchen seufzte. »Wie lange werden wir brauchen?«
Bruder Rupert hielt einen Bauern an und fragte ihn, doch erst als der Pater die Frage in Kastilisch übersetzte, nickte der alte Mann und öffnete den fast zahnlosen Mund.
»Wenn man zur Non losgeht, dann ist man zur Vesper in Castroxeris«, übersetzte Pater Bertran und bedankte sich. Der Bauer hob grüßend die Hand, murmelte noch ein paar unverständliche Worte und schlurfte davon. Zwei große schwarze Hunde umsprangen seine Beine.
Drei Stunden. Nun gut, das mussten die Füße heute noch hergeben. Juliana folgte dem Pater, der sein Bündel schon wieder
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