Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
der junge Ritter besorgt.
Juliana schwankte. Ein stechender Schmerz fuhr durch ihren Knöchel, sobald sie in belastete. »Ich weiß nicht«, stotterte sie und blinzelte, um die aufsteigenden Tränen zu vertreiben.
Hilflos sah André sie an. »Hier können wir nicht bleiben, oder?«
»Nein!«, stieß das Mädchen hervor und hinkte unter dem Torbogen hervor, bis die grelle Sonne sie traf. André eilte an
ihre Seite und schob seinen Arm unter ihrer Achsel durch. So humpelte das Mädchen weiter, das Gesicht zu einer Grimasse verzerrt, jedoch fest entschlossen, diesen schrecklichen Ort hinter sich zu lassen.
»Das ist doch Blödsinn«, polterte Bruder Rupert. »Wenn du nicht laufen kannst, dann müssen wir die Nacht über hier bleiben.«
Entsetzt wich das Mädchen zurück. Ihre Hand zitterte, als sie zu den Mauern des Klosters zurückwies. »Hier wollt Ihr die Nacht zubringen? Zwischen all den entstellten Kranken?«
»Nein, was denkst du! Aber wenn wir die Herberge vor dem Abend nicht erreichen, dann können wir auch gleich hier am Bach unter den Weiden unser Nachtlager aufschlagen. Ich bin zwar kein Bader, aber so viel weiß ich, dass du deinen Knöchel lieber ein paar Stunden schonen und im Wasser kühlen solltest.«
Die anderen waren einverstanden, und so verließen sie den Weg und querten ein abgeerntetes Feld, um zu dem schmalen Streifen Grün oberhalb der Uferböschung zu gelangen. André stützte das Mädchen und ließ es dann an einer weichen Stelle vorsichtig zu Boden sinken. Sie lächelte dankend zu ihm hoch.
»Hat jemand noch etwas Essbares in seinem Bündel?« Bruder Rupert sah die verneinend geschüttelten Köpfe nacheinander an und seufzte.
»Dann werden wir heute fasten«, stellte der hagere Pater fest und setzte sich unter eine Weide, deren biegsame Zweige auf der anderen Seite bis ins Wasser hingen.
»Wenn man Euch so ansieht, dann scheint Euch das nichts auszumachen«, knurrte der Bettelmönch und strich sich über den Leib. »Ich jedoch möchte nicht zu einer solch schmächtigen Sammlung von Haut und Knochen werden.«
»Wenn Euch die Völlerei so am Herzen liegt, dann habt Ihr Euch den falschen Orden ausgesucht«, schimpfte der Pater.
»Zwischen Fasten und Völlerei passen viele Stücke Brot und
Käse«, widersprach Bruder Rupert. Unentschlossen sah er zu San Antón hinauf, das von ihrem Lagerplatz aus noch deutlich zu sehen war.
»Ihr wollt doch nicht etwa die Antoniter fragen«, keuchte André. »Dann lieber fasten!«
Juliana zögerte. Ihr Magen schmerzte, und noch immer fühlte sie sich schwach. »Meint Ihr, es ist gefährlich, etwas von ihnen anzunehmen?«
Bruder Rupert schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein! Ich kann mir nicht denken, dass sie die Kranken in die Klosterküche lassen, und irgendetwas müssen die Mönche ja auch essen. Wenn ich darauf achte, nicht mit den Kranken in Berührung zu kommen, sehe ich keine Gefahr.«
Er fragte nicht, ob einer der anderen mitkommen würde, sondern stapfte, ohne einen weiteren Einwand abzuwarten, davon.
Bruder Ruperts Beute reichte, dass sie alle vier satt wurden. Der Bettelmönch sammelte trockene Zweige und entfachte ein Feuer. Lange schon war es dunkel. Juliana starrte schläfrig in die Flammen. Pater Bertran sprach André an, der ein zweites Mal Zweige gesammelt hatte. Juliana hörte nicht, was er ihm sagte, aber Andrés Miene zufolge nichts Angenehmes. Der junge Mann wandte sich ab und ging davon. Es wurde spät. Der Mond kroch am Himmel empor, und die Sterne blinkten immer heller. Ein glitzerndes Band, fast wie schimmernder Nebel, zog sich nach Westen, wo irgendwo Santiago de Compostela lag. Man sagte, der Schimmer bestände aus vielen, winzigen Sternen. Einer ganzen Straße aus Sternen.
Juliana rutschte unruhig hin und her. Sie musste ihre Leinenstreifen erneuern und sich vor dem Schlafenlegen noch einmal erleichtern. Sie stemmte sich hoch und humpelte auf ihren Stock gestützt zwischen den Bäumen außer Sicht. Auf dem Rückweg
sah sie, wie sich auf der Uferböschung eine menschliche Silhouette gegen das schimmernde Wasser abhob.
»Was machst du hier?« Sie schlug einen leichten Ton an. »Ich denke nicht, dass heute Nacht einer wachen muss, um uns zu beschützen. Also komm mit ans Feuer, Ritter André. So heiß der Tag heute war, so kalt ist jetzt schon die Nacht.«
»Nenn mich nicht Ritter«, stieß er bitter hervor.
»Warum?« Juliana war erstaunt. »Was ist mit dir? Du scheinst in keiner guten Stimmung zu sein. Kann ich
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