Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
zwar ein jüngerer Sohn, aber von edlem Hause, und du wirst in ein paar Jahren ein Ritter sein. Bis dahin jedoch mache einen großen Bogen um die Edelfräulein. Du bist ein hübscher Kerl und gut anzusehen. Lass nicht zu, dass eine dich in einem leichtfertigen Spiel ins Unglück reißt!«
»Du weißt nicht, wovon du redest. Du bist nur ein Wächter!« , schnaubt Wolf.
Samuel nickt. »Ja, nur ein Wächter auf seinem einsamen Turm, aber glaube mir, ich bin weder blind noch taub, und ich habe schon viel in meinem Leben gesehen.«
»Ich will keine Magd und auch kein anderes Edelfräulein. Was fällt dir ein, mir niedere Lust zu unterstellen! Juliana ist meine Freundin, und sie wird es weiterhin bleiben!«
Samuel zuckt mit den Schultern. »Stolzer junger Narr. Ich habe es nicht anders erwartet. Nun geh und hole dir deine Strafe ab, und dann denke noch einmal über meine Worte nach.« Er schmunzelt. »Lass dir von einem alten Narren sagen, die niedere Lust wird kommen – selbst wenn du sie jetzt noch nicht empfindest – und sie wird dich verbrennen, wenn du ihr keinen Raum zum Leben gibst.«
Ohne den Türmer noch eines Blickes zu würdigen, poltert Wolf die Stufen hinunter. Noch ehe er die Tür unten erreicht und den Steg zur Burgmauer überquert, ist sein Zorn verraucht. Er ahnt, dass der alte Mann Recht hat, doch noch will er sich den Folgen nicht stellen. Mit beiden Händen klammert er sich
an die schönen Jahre der Vergangenheit. Er will nicht, dass sich alles ändert. Er will Juliana nicht verlieren. Für einen tollkühnen Moment stellt er sich vor, wie er den Ritter um ihre Hand bittet. Ob er ihn dann gleich totschlägt? Nein! Dazu hat er kein Recht. Von Neipperg ist ein stolzer Name, dem Respekt gebührt. Sein Oheim und sein Vater sind die Herren der prächtigen Doppelburg mit den beiden Türmen und Mauerringen nördlich von Brackenheim. Und doch hat er als jüngerer Sohn kein großes Erbe zu erwarten. Nein, er kennt die Antwort seines Herrn Kraft von Ehrenberg, bevor er ihm die Frage stellt.
Die Strafe fällt noch schmerzhafter aus, als Wolf es befürchtet hat. Er muss seinen Kittel und die Beinlinge ausziehen und sich über die Pferdetränke legen. Mit der Peitsche schlägt der Ritter zu, auf Hinterbacken, Rücken und Beine. Wolf nimmt sich vor, nicht zu schreien. Erst presst er nur die Lippen zusammen, dann beißt er in das Holz des Troges, dennoch wird sein Stöhnen mit jedem Schlag lauter.
Endlich, als er schon fürchtet, das Bewusstsein zu verlieren und vom Trog herabzurutschen, hören die Schläge auf. Zaghaft wendet er den Kopf und wirft einen Blick zurück, um zu sehen, ob der Ritter wirklich vorhat aufzuhören oder ob er nur eine Pause einlegt. Kraft von Ehrenberg hat die Peitsche wieder an die Wand gehängt. Dem Herrn im Himmel sei Dank, es scheint vorüber. Schwer atmend steht der Ritter da, das Hemd klebt ihm am schweißnassen Körper. Er zieht die Handschuhe aus und wischt sich seine Hände an den Beinlingen ab.
»Du kannst jetzt gehen.«
Wolf erhebt sich vorsichtig, doch seine Beine wollen ihn nicht tragen. Mit einem Wimmern sinkt er auf die Knie. Der Ritter betrachtet ihn, während er sein tunikaartiges Gewand wieder überwirft und über den Knien zurechtzupft.
»Ich werde morgen für eine Woche nach Wimpfen reiten. Du
kannst hier bleiben. Ich denke nicht, dass du dich in den nächsten Tagen in einem Sattel halten kannst. Lass dir von Berta ihre Kräutersalbe geben. Ich erwarte deine Dienste erst wieder, wenn ich zurück bin.« Der Grimm ist aus der Stimme des Ehrenbergers gewichen. Er klingt nun fast ein wenig mitleidig.
»Nun gut, ich denke, du hast die Lektion gelernt«, fügt er unschlüssig hinzu, lässt den Blick noch einmal über den am Boden kauernden Jüngling schweifen und verlässt dann den Stall, um in die Burg zurückzukehren.
Wolf rührt sich eine ganze Weile nicht. So wie es sich anfühlt, ist nicht viel Haut auf seiner Rückseite unversehrt geblieben. Bald wird ihm auch die kauernde Haltung unerträglich, und er kriecht auf allen vieren zu einer leeren Pferdebox. Mit einem Stöhnen lässt er sich bäuchlings ins frische Stroh fallen. Es ist vorbei. Trotz der Schmerzen fühlt er Erleichterung, und die Worte des Türmers kommen ihm in den Sinn. Nein, es ist sicher nicht gut, wenn er solch eine Strafe noch einmal riskiert. Das war das letzte Mal, dass Juliana ihn zu etwas überredet hat!
Wolf schreckt hoch und muss sich sogleich vor Schmerz auf die Lippen beißen.
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