Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
Zaghaft bewegt er die Schultern. Er kann jeden der blutigen Striemen fühlen, die sich kreuz und quer über den Rücken ziehen. Er versucht sich aufzusetzen, gibt den Versuch jedoch gleich wieder auf. Sein Hintern und die Oberschenkel sind in keinem besseren Zustand als der Rücken. Seufzend rollt Wolf sich ein wenig auf die Seite und stützt den Kopf in die Hand. Sein Magen knurrt. Kein Wunder, er hat seit der Milchsuppe am frühen Morgen nichts gegessen. Wie lange er wohl geschlafen hat? Durch die Ritzen der Stallwand dringt jedenfalls kein Licht, also muss es Nacht sein – oder erst spät am Abend? Er glaubt Schritte zu vernehmen. Ja, der langsame Hufschlag eines Pferdes, das an den Zügeln geführt wird, und der Klang von Stiefeln. Die Fuchsstute, die hinter der nächsten
Trennwand angebunden ist, schnaubt und scharrt mit den Hufen. Ist es der Ritter, der da kommt? Wolf hat keine Sehnsucht, seinen Herrn so schnell wiederzusehen, doch an eine Flucht durch das Fenster oben auf dem Dachboden ist in seinem Zustand heute nicht zu denken. Er beschließt einfach, ruhig liegen zu bleiben. Es wird schon niemand ausgerechnet in diese Ecke sehen!
»Verratet Ihr mir nun endlich, was diese Geheimnistuerei soll?«, vernimmt Wolf die Stimme seines Herrn. »Was tut Ihr hier zu so später Stunde? Und warum wollt Ihr nicht auf die Burg hinaufkommen und besteht darauf, Euer Ross in den Stall im Zwinger zu führen?« Eine Hand greift nach der Tür und zieht sie auf.
»Wartet, ich zünde eine Lampe an.«
»Nein, das ist nicht nötig. Ihr sollt mir einfach zuhören.« Der Besucher tritt, sein Pferd am Zügel hinter sich herziehend, in den Stall und lässt die Tür zufallen.
Wer ist das?, fragt sich Wolf und hebt lauschend den Kopf. Das Pferd schnaubt, von den anderen Tieren kommt nervöses Wiehern zurück.
»Ich mache Licht«, sagt der Ehrenberger in dem Wolf so gut bekannten Tonfall, der keinen Widerspruch zulässt. »Wenn es denn sein muss, dann setzen wir uns auf die Sattelbank und unterhalten uns eben hier im Stall!«
Wolf hört den Stein schlagen, bis ein Funke den Feuerschwamm entzündet. Das kleine Binsenlicht, das an einem Haken an der Wand hängt, verbreitet einen warmen Lichtkreis um die Männer und das Pferd, dessen Zügel der Hausherr nun um einen Balken schlingt. Dann setzt er sich dem Besucher gegen über auf einen Hackklotz. So sehr er sich auch bemüht, Wolf kann das Gesicht des Besuchers nicht erkennen.
»Nun, ich höre. Erzählt mir Eure Geschichte.«
»Angenommen, Ihr hättet den Verdacht, ein fremder Ritter würde – während Ihr fern Eurer Burg weilt – bei Eurem Weib liegen. Was würdet Ihr tun?«
»Ich würde ihm mit meinem Schwert die Eingeweide rausschneiden« , poltert Kraft von Ehrenberg. Der Junge im Stroh krümmt sich ein wenig zusammen. Das ist kein gutes Thema, und es ist auch kein guter Ort für ihn, um sich länger aufzuhalten. Aber wie soll er von hier wegkommen, ohne dass die Männer ihn hören und sehen? Ihm ist klar, es gibt keine Möglichkeit, unbemerkt zu entkommen. Gezwungenermaßen hört er weiter zu und zermartert sich den Kopf, wer der andere sein könnte. Ein Edelfreier, so viel kann er an der Art hören, wie er redet und wie der Ritter ihn anspricht. Jemand, den er kennt?
Der Besucher wehrt ab. »Ihr habt den Verdacht, aber keinen Beweis. Er ist schlau und lässt sich nicht erwischen, dennoch seid Ihr Euch Eurer Sache sicher.«
»Dann würde ich Gott als Zeuge rufen, ihn zum Zweikampf herausfordern und ihn dabei töten«, bekräftigt der Ehrenberger.
»Das ist schon richtig«, windet sich der Fremde. »Nur, dann müsstet Ihr ihn fordern und Euren Verdacht verlautbaren. Alle Welt könnte Anteil nehmen, und egal, wie der Kampf enden würde, es wäre für Euch fatal. Wenn Ihr verliert, dann habt Ihr Euch wohl getäuscht – Ihr seid dann jedoch tot. Wenn Ihr aber gewinnt, dann ist die Schuld des Frauenräubers bewiesen, und alle Welt wird auf Euch und Euer Weib zeigen – sie die ehrlose Hure und Ihr der gehörnte Gatte.«
»Hm, da habt Ihr nicht Unrecht.« Der Hausherr legt grübelnd die Stirn in Falten.
»Ihr versteht sicher, dass ich ihn nicht einfach auf meiner Burg töten lassen kann. Seine Familie würde Fragen stellen.«
Aha, nun hat er zugegeben, dass es um sein eigenes Weib geht. Aber warum erzählt er dem Ritter von Ehrenberg davon? Begibt er sich damit nicht in dessen Hand? Wolf schüttelt ratlos den Kopf.
»Nein, das solltet Ihr nicht«, stimmt der
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