Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
und das Ende der Welt.« Der Kochendorfer schien beeindruckt.
»Ist Euer Vater zu seiner Sühnereise auch nach Santiago gegangen?«
Juliana nickte. »Ich habe ihn gefunden.«
Die Miene des Ritters erhellte sich. »Ihr seid mit dem Vater gewandert? Das ist gut! Ihr wisst, wie die Leute sind – sie reden gern und brechen schnell den Stab. Nun, ich will weder an Eurer Ehre noch an Eurer Jungfräulichkeit zweifeln, aber es ist besser, wenn Ihr behauptet, Ihr wärt stets an des Vaters Seite gewesen.«
»Weder das eine noch das andere geht Euch etwas an«, fauchte das Mädchen mit vollem Mund.
Wilhelm von Kochendorf wiegte den Kopf hin und her. »Ich weiß nicht, vielleicht doch. Ich habe Euch bereits vor Eurer Reise ein paarmal die Ehe angetragen, und ich werde es nun wieder tun – auch wenn meine Familie das vermutlich nicht mehr für klug halten wird.«
»Warum?«, verlangte Juliana zu wissen. »Ihr wisst, dass Carl von Weinsberg auf unserer Burg sitzt und meine Mutter sich in ein Kloster zurückgezogen hat. Vermutlich hat sie den Schwestern alles vermacht.«
Der Ritter nickte. »Und wie ich sicher richtig vermute, ist Euer Vater tot.«
Juliana starrte ihn an. »Warum wollt Ihr mich dann immer noch heiraten?«, fragte sie.
»Ach ja, Ehrenberg würde ich schon gern besitzen. Wer weiß, was noch alles passiert. Vielleicht sitzt Carl nicht bis zu seinem Lebensende hinter diesen Mauern. Es ist nur ein Lehen, das man wieder lösen kann. Der Kaiser hat da auch ein Wort mitzureden, wenn es um die Schutzburgen geht. Aber das ist jetzt nicht so wichtig. Ich würde Euch zuerst nach Guttenberg führen, wenn Ihr zustimmt.«
»Warum?«, fragte das Mädchen zum dritten Mal. Wilhelm von Kochendorf trat zwei Schritte zurück und betrachtete sie nachdenklich vom Kopf bis zu den Füßen.
»Ich mag Euch«, sagte er schlicht. »Es gibt auf den Burgen am Neckar viele Fräulein, und manches ist sogar hübscher als Ihr oder mit einer besseren Mitgift ausgestattet, aber mit Euch ist es nie langweilig.«
Er brachte sie zurück bis zur Pforte des Stadthauses der Ehrenberger und verbeugte sich vor ihr. »Denkt darüber nach, Jungfrau Juliana. Was bleibt Euch sonst? Wollt Ihr zu Eurer Mutter ins Kloster?«
»Mutter!« Sie standen sich gegenüber, ohne sich zu berühren.
Dekan von Hauenstein war mit ihr zum Kloster geritten und wartete nun draußen mit den Pferden, während eine Schwester das Fräulein in den Besucherraum führte. Kurz darauf trat eine Frau ein. Juliana versuchte, in der Gestalt in grobem, weißen Habit ihre Mutter wiederzuerkennen. Ihr Gesicht wirkte schmaler, die Augen lagen tiefer als vorher. Ihre Lippen waren fest zusammengepresst.
»Du bist also zurückgekehrt«, sagte sie tonlos.
»Der Vater ist tot!«, stieß Juliana hervor.
Die Edelfrau nickte. »Ich habe es gespürt. Deshalb kam ich hierher. Was hätte ich allein auf der Burg tun sollen?«
»Auf mich warten! Ich bin Eure Tochter, und ich lebe noch!«
»Du bist verschwunden und monatelang durch die Lande gezogen. Was glaubst du, was das Leben für dich noch bereithält?«
»Ihr habt Unrecht getan, Ehrenberg an die Weinsberger zu geben«, begehrte Juliana auf. »Ihr habt meine Heimat und meine Zukunft an eine Familie weggegeben, die nicht davor zurückgeschreckt hat, Johannes zu morden!«
Sabrina von Gemmingen schüttelte den Kopf. »Gott hat meinen Sohn zu sich gerufen, und du hast deine Zukunft selbst weggeworfen. Ja, wenn du geblieben wärst, dann hätte ich eine gute Ehe für dich aushandeln und einen Mann für dich auf die Burg holen können, aber so? Denkst du, ein Ritter würde dir jetzt noch die Hand reichen?«
»Ja!«, rief das Mädchen trotzig. »Wilhelm von Kochendorf hat mir erst gestern die Ehe angetragen!«
Die Edelfrau hob erstaunt den Kopf. »Dann solltest du nicht
lange zögern. Das Stadthaus ist dein sowie alle Stoffe und Leinen in den Truhen. Auch den Wald und die Höfe hast du geerbt. Die Pferde, die noch im Stall stehen, könnt ihr ebenfalls haben. Ich habe dem Kloster nur die Pacht der Burg vermacht.«
»Ich will den Kochendorfer aber nicht! Ich will mit Euch zurück nach Ehrenberg!« Ihre Stimme wurde flehend. Sie streckte die Arme aus. »Mutter, bitte!«
Die Frau im weißen Habit schüttelte den Kopf. »Es ist vorbei, mein Kind. Unsere Welt starb mit dem Templer.«
»Der Vater hat ihn gar nicht erstochen!«, rief Juliana. »Der Franzose war der Mörder! Ich habe den Vater gefunden und Antworten auf alle meine Fragen
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