Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
erhalten.«
Die Klosterfrau hob die Schultern. »Das ist jetzt nicht mehr wichtig. Hier im Kloster fragt mich keiner, ob mein Gatte ein Mörder war oder nicht. Hier sind nur noch der Herr Jesus Christ und die Heilige Jungfrau wichtig.«
»Mutter, könnt Ihr den Schleier nicht wieder ablegen? Ich brauche Euch!« Juliana trat auf sie zu und schlang ihre Arme um den abgemagerten Leib.
»Ich habe das Gelübde noch nicht abgelegt«, sagte die Edelfrau und streichelte ihr über den Rücken. »Erst jetzt, da ich sicher weiß, dass der Ritter tot ist, kann ich der Mutter Oberin den letzten Schwur leisten. Wenn du in meiner Nähe bleiben willst, dann kann ich sie bitten, auch dich unter den Schwestern aufzunehmen. Deine Mitgift ist stattlich genug!«
Juliana machte sich los und wich zurück. »Nein!«, schrie sie. »Ich will nicht ins Kloster!«
»Kind, mäßige deine Stimme in diesen geheiligten Mauern«, mahnte die Mutter.
Juliana schluckte. Tiefe Traurigkeit erfasste sie. »Wenn Ihr meint, dass dies Eure Bestimmung ist, dann wünsche ich Eurer Seele Frieden und Gottes Segen.« Sie kniete nieder und küsste die Hände der Mutter, die sie nicht mehr wiedersehen würde.
»Nun?«, fragte der Dekan und hob die Augenbrauen, als Juliana sich in den Sattel heben ließ. »Hast du deine Mutter gesprochen?«
»Nein!«, antwortete das Mädchen barsch. »Ich habe eine Frau gesehen, die das Gelübde ablegen wird, aber meine Mutter ist bereits gestorben!« Schweigend ritten sie eine Weile nebeneinander her.
»Sie sagt, ich hätte meine Zukunft weggeworfen. Nun gäbe es auf dieser Welt nichts mehr für mich.«
»Das ist Unsinn«, widersprach Gerold von Hauenstein. »Wer sind wir, dass wir Gottes Wege vorhersehen wollen? Ich denke, er hat noch viel mit dir vor. Du bist jung.« Er lächelte. »Und du bist starrsinnig und voller Tatendrang. Mach etwas daraus! Gott hat dir deine innere Kraft nicht gegeben, um sie zu verschwenden!«
Juliana kaute auf ihrer Unterlippe. »Wäre St. Peter an einem Haus in Wimpfen auf dem Berg interessiert und an Truhen voll Stoffen und Leinensachen? An einem Wald und ein paar Höfen?«
Der Dekan sah sie aufmerksam an. »Warum nicht? Ich glaube, der Propst wird einen guten Preis bezahlen.« Beide lächelten.
»Ich denke, es ist besser, wenn sich Johannes noch einmal auf die Reise macht«, fügte er hinzu. Das Mädchen nickte.
Als Juliana sich in der heimischen Halle von ihm verabschiedete, umarmten sie sich noch einmal herzlich. »Ich danke Euch für alles. Nie kann ich Euch vergelten, dass Euer Schutzengel für mich sein Leben ließ. Wie kann ich meine Seele je wieder von diesem Fels befreien?«
»Gott wird dir die Last nehmen – und du kannst Rupert danken, indem du dein Ziel erreichst! Der Herr im Himmel wird ihn für seine Taten belohnen. – Grüße Wolf von mir und überbringe ihm meinen Segen.«
Fast zwei Monate später, am Tag der heiligen Apostel Petrus und Paulus im Jahre 1308 zügelte Juliana auf dem Kirchhof von Santa María in Rauanal ihr Pferd und ließ sich aus dem Sattel gleiten. Vom Hufschlag angelockt öffnete sich eine Tür. Wolf von Neipperg trat auf sie zu und ergriff ihre Hände.
»Mein Weg ist zu Ende«, sagte sie und sah ihn an, so als müsse sie sich jede Einzelheit seines Gesichts einprägen. »Ich habe die Fesseln, die mir die Luft zum Atmen nahmen, zerschnitten.« Juliana deutete auf das bepackte Pferd. »Alles, was mein altes Leben bedeutet hat, ist hier, um ein neues zu beginnen – mit dir«, fügte sie leise hinzu und senkte die Wimpern.
Als sie den Blick wieder hob, schlang er die Arme um sie, zog sie an sich und küsste sie.
»In meinen Träumen habe ich es geahnt, dass du zurückkommst, im Wachen konnte ich nur darum beten«, sagte Wolf, als sie beide Atem holen mussten.
»So, du hast für uns gebetet?«
»Aber ja! Meine Knie sind wund, mein Rücken schmerzt, und mein Leib sehnt sich nach Ruhe!« Er lächelte.
»Dann wäre es von unserem Herrn wirklich grausam gewesen, seinen treuen Diener nicht zu erhören. Und ich dachte schon, ich hätte unerhört eigenmächtig und schamlos gehandelt, als ich mich entschied, zu dir zurückzukehren!« Juliana lächelte verschmitzt, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn noch einmal zärtlich auf den Mund.
»Pater Martín wird dich von allen Sünden freisprechen!« Wolf griff nach ihrer Hand. »Komm, wir wollen ihn gleich suchen. Wir haben Arbeit für ihn! – Und dann zeige ich dir unsere
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