Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
dem Sünder eine Buße auferlegt, die ihn von seiner Schuld reinwaschen wird. Seid ohne Sorge, der Tod Eures Bruders bleibt nicht ungestraft.«
»Eine Kirchenbuße für einen Mord? Ein paar Ave Marias auf den Knien beten? Das ist zu wenig«, schaltet sich Jean de Folliaco wieder ein. »Ich frage Euch noch einmal: Wo habt Ihr ihn versteckt? Ich möchte mit ihm sprechen.«
»Das ist nicht möglich«, antwortet Gerold von Hauenstein. »Er ist nicht mehr in Wimpfen. Ich habe ihn schon vor Stunden verabschiedet.«
Juliana presst die Hand vor die Lippen, um den Schrei zu unterdrücken, der in ihr aufsteigt. Der Vater ist bereits weg. Ohne ein Wort des Abschiedes, ohne einen Gruß oder Segen – und ohne eine Erklärung.
»Weg? Ihr habt ihn gehen lassen?« Eine Pause entsteht. Der Templer stößt einen Pfiff aus. »So ist das, eine Bußpilgerschaft habt Ihr ihm auferlegt. Wohin? Für einen Mord wird er ja sicher nicht nur zur Wallfahrtskapelle ›Unserer lieben Frau im Nussbaum‹ auf den Höchstberg geschickt«, sagt er ein wenig sarkastisch.
»Nein, da habt Ihr Recht, Tempelritter«, bestätigt der Dekan in seiner ruhigen Art. Juliana ist es, als könne sie ihn sehen, wie er vor den erregten Männern steht, mit hocherhobenem Kopf, zu seiner beeindruckenden Größe aufgerichtet, die Arme vor dem Leib verschränkt, die Hände in den weiten Ärmeln verborgen. Er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen – zumindest hat Juliana das, seit sie sich erinnern kann, nie erlebt.
»Nun sagt uns schon, wohin er sich auf den Weg gemacht hat, damit wir unserem Großmeister berichten können.« Der Franzose lässt nicht locker. »Habt Ihr ihn nach Rom geschickt?« Er lacht kurz auf. »Oder gar bis ins Heilige Land?«
»Tut mir Leid, ich kann Euch keine Auskunft geben. Das ist eine Sache zwischen dem Ritter von Ehrenberg und seinem Beichtvater, das müsst Ihr verstehen. Und nun bitte ich Euch, zu gehen. Ich muss mich eilen, dass ich noch rechtzeitig zur Kapitelversammlung komme.«
»Verfluchter Pfaffe, so einfach kommt Ihr nicht davon!«, ereifert sich der Wappner.
»Bruder Humbert«, ruft der Franzose harsch, »wenn wir zurück sind, wirst du diesen Vorfall beichten und für diesen Fluch und die Beleidigung eine Strafe auf dich nehmen!«
»Ja, Ritter de Folliaco«, murrt der Servient. Die beiden Männer verlassen die Stube. Juliana sieht die Gestalten in den Flur treten und die Stubentür sorgfältig hinter sich schließen.
»Ich wüsste zu gern, wo der Dekan sich heute Nacht herumgetrieben hat«, murmelt der Templer, als er auf die Treppe zustrebt.
Das ist auch eine Frage, die Juliana keine Ruhe lässt. Sie begibt sich zum Westtor und fragt die Wachen. Es dauert eine Weile, bis sie den Mann gefunden hat, der in der Nacht am Tor stand.
»Seltsam, das haben mich auch der Templer und sein Wappner gerade erst gefragt«, sagt der Wächter und mustert Juliana vom Kopf bis zu den Füßen.
»Und, hast du ihnen die gewünschte Auskunft gegeben?«, bohrt das Mädchen weiter.
»Nein.«
»Was heißt nein?« Sie unterdrückt einen Seufzer. Sehr gesprächig ist der Wachmann nicht gerade. Jedes Wort muss man ihm wie einen Wurm aus der Nase ziehen.
»Nein heißt, dass ich den Herrn Dekan nicht gesehen habe und ihnen die gewünschte Antwort nicht geben konnte.«
Das Mädchen mustert den Posten mit zusammengekniffenen Augen. Sagt er die Wahrheit? Hat der Dekan die Stadt nicht verlassen? Dann kann er auch nicht nach Ehrenberg geritten sein. Juliana erkundigt sich noch nach ihrem Vater, aber anscheinend hat auch er dieses Tor in der Nacht nur stadteinwärts passiert.
In Gedanken wandert das Mädchen die breite Hauptstraße entlang, die hinter dem Osttor in die Landstraße übergeht. Diese führt weiter nach Eisesheim und dann bis Heilbronn am anderen Ufer des Flusses. Wenn der Vater nach Süden reist, dann hat er die Stadt sicher in diese Richtung verlassen. Ein
Schatten berührt sie. Juliana schreckt zurück und sieht auf – direkt in die dunklen Augen des Franzosen, der ihr zusammen mit dem Wappner entgegenkommt. Der Tempelritter bleibt stehen und neigt den Kopf.
»Verzeiht, edles Fräulein, ich wollte Euch nicht erschrecken.« Er tritt beiseite in den von Karrenrädern durchfurchten Morast und lässt das Mädchen passieren.
»Danke«, stotterte sie, rafft die Röcke und eilt weiter. Es ist ihr, als spüre sie seinen Blick im Rücken. Hat er sie erkannt? Sie muss es annehmen, war er doch mit seinem Waffenbruder und dem Servienten
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