Das Sigma-Protokoll
klingt verdammt beunruhigend.«
»Das ist mir inzwischen klar«, sagte Skolnik. Er hasste sich für den respektvollen, ja kriecherischen Ton. Leuten wie Bennett seine Angst zu zeigen war immer ein Fehler. Es wirkte wie Blut im Haifischbecken.
»Die Fahrlässigkeit, die Ihre Leute in Fragen der nationalen Sicherheit an den Tag legen, kompromittiert uns alle. Wenn ich mir das Verhalten Ihrer Leute so anschaue, weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Was zum Teufel nützt es, wenn ich die Haustür verrammele und die Hintertür steht sperrangelweit offen?«
»Die zur Debatte stehende mögliche Bloßstellung wird wohl kaum schwerwiegende Folgen haben«, sagte Skolnik. Die gestelzten Worte klangen selbst in seinen eigenen Ohren lahm.
»Ich will Ihre Zusicherung, dass diese Scheißangelegenheit erledigt ist, sobald Sie diese Navarro haben.« Bennett beugte sich vor und tätschelte Skolniks Unterarm - halb intim, halb drohend. »Und dass Sie ja alle Ihnen zu Gebote stehenden Mittel einsetzen, damit die Frau so schnell wie möglich hier auf der Matte steht.«
»Selbstverständlich«, sagte Skolnik und schluckte schwer.
Wien
»Aufstehen,«, sagte der Mann mit dem Schnauzer und wedelte mit der Makarov in seiner Linken.
»Was soll das? Sie kriegen meinen Finger nie auf den Sensor«, sagte Hoffmann. »Und jetzt raus hier, sonst mach ich Ihnen Beine.«
»Mir hat noch nie jemand Beine gemacht«, entgegnete der Mann mit gleichgültiger Stimme. »Stehen Sie auf.«
Hoffmann erhob sich zögernd.
Der Mann stand ebenfalls auf und ging auf ihn zu.
»Es nützt Ihnen gar nichts, wenn Sie mich umbringen«, sagte Hoffmann.
»Ich werde Sie nicht umbringen«, sagte der Mann und machte einen blitzschnellen Satz vorwärts.
Hoffmann sah etwas Metallisches aufblitzen und spürte einen brennenden Schmerz an seiner Hand. Er schaute nach unten. Wo sein Zeigefinger gewesen war, war jetzt ein Stumpf. Ein perfekter Schnitt. Am Fingeransatz sah er einen weißen Knochenring, der von einem größeren Ring aus Fleisch umgeben war. In der Millisekunde, bevor er anfing zu schreien, sah er in der Hand des Mannes das rasiermesserscharfe Jagdmesser und auf dem Teppich den abgeschnittenen Finger. Er lag da wie ein von der Schlachtbank gefallener und dann vergessener Fleischfetzen.
Und dann heulte er auf. Der Schmerz war unbeschreiblich.
Trevor hob den abgeschnittenen Finger auf und hielt ihn hoch. Von der Schnittstelle tropfte Blut.
30. KAPITEL
Wien
Anna rief David Denneen an.
»Verdammt, Anna, wo bist du? Hier kocht die Scheiße über.«
»Wieso? Was ist los?«, fragte Anna.
»Es heißt, dass du...« Die Stimme verstummte.
»Was?«
»Sprichst du von einem sicheren Telefon?«
»Natürlich.«
Nach einer kurzen Pause sagte David: »Hör zu, Anna. Das Ministerium hat P-47 für dich verhängt. Alles wird kontrolliert: Post, E-Mail, Telefon.«
»Verdammt«, sagte Anna. »Ich glaub’s einfach nicht.«
»Kommt noch schlimmer. Order 12-44, seit heute Morgen. Fahndung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, sofortige Festnahme. Du läufst unter Nationales Sicherheitsrisiko. Es heißt, dass du seit Jahren auf der Lohnliste von feindlichen Nationen stehst. Ich dürfte nicht mal mit dir reden.«
»Das ist doch Wahnsinn.«
»Es heißt, dass das FBI in deiner Wohnung Schmuck, teure Klamotten und Bargeld in verschiedenen Währungen gefunden hat. Und Kontonummern von Offshore-Banken.«
»Lügen!« Anna schrie fast. »Gottverdammte Lügen!«
Es entstand eine lange Pause. »Das weiß ich doch, Anna. Trotzdem tut es gut, es noch mal aus deinem Mund zu hören. Irgendwer spielt dir ganz übel mit. Aber warum?«
»Warum?« Anna schloss kurz die Augen. »Meine Vermutung ist, damit ich genau diesem >Warum?< nicht mehr nachgehen kann.«
Anna verabschiedete sich von David und schlug die Hände vors
Gesicht. Was zum Teufel ging hier vor? War Bartlett von Yossi oder Phil Ostrow mit irgendwelchen Lügen gefüttert worden? Gut, sie hatte in Washington kein einziges Mal Bericht erstattet. Vielleicht war Bartlett einfach sauer, weil er erst auf Umwegen Einzelheiten über ihre Ermittlungen erfuhr. Vielleicht war Bartlett auch sauer, weil sie sich nicht daran gehalten hatte, Ben Hartman auszuliefern.
Plötzlich fiel ihr ein, dass keiner der beiden Wiener CIA-Leute Hans Vogler, den ehemaligen Killer der Stasi, erwähnt hatte. Hieß das, dass Yossi nichts über ihn wusste? Wenn ja, bedeutete das dann, dass die vom Mossad engagierten >Freien< nichts
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