Das Sigma-Protokoll
was steckte dahinter? Yossi konnte durchaus aus Israel gewesen sein. Oder aus einem anderen Land im Nahen Osten.
»Hallo, Megan. Ben hier.«
Wer zum Teufel waren die beiden, fragte sie sich immer wieder.
Sie rief noch einmal Jack Hampton an. »Jack, ich brauche die Nummer vom CIA-Büro in Wien.«
»Herrgott, Anna. Bin ich die Auskunft?«
»Wo genau befindet sich das Büro eigentlich?«
»Im Hauptgebäude der Botschaft.«
»Nicht gegenüber vom Konsulat? In einem Büro unserer Handelsvertretung? Bist du sicher?«
»Was soll das, Anna? Das einzige CIA-Büro in Wien befindet sich mitten in der Botschaft. Soweit ich weiß zumindest.«
Sie legte auf. Langsam geriet sie in Panik. Wenn das Büro nicht der CIA gehörte, wem dann? Es hatte echt und überzeugend gewirkt. Jedes Detail.
»Wirklich?«, hörte sie Ben sagen. »Sie sind fantastisch, Megan.«
Wer versuchte sie zu manipulieren? Und warum? Offensichtlich wusste der Betreffende, dass sie in Wien war, woran sie arbeitete und in welchem Hotel sie wohnte.
Wenn Ostrow ein Hochstapler war, dann war auch seine Mossad-Geschichte falsch. Er hatte sie für einen ausgeklügelten Plan benutzen wollen. Er wollte Hartman, und sie hätte ihn auf dem Silbertablett anliefern sollen.
Benommen und verloren schüttelte sie den Kopf und ging im Geist noch mal die Zeitspanne zwischen Ostrows Anruf und dem Treffen durch. War das alles inszeniert gewesen?
Neben sich hörte sie wieder Bens Stimme. »Eine Sekunde, ich notier mir das eben. Sehr gute Arbeit, Megan. Brillant.«
Dann war diese aus plausiblen Bruchstücken zusammengepuzzelte Mossad-Geschichte nichts weiter als ein Hirngespinst? Was von dem, was sie zu wissen glaubte, war noch alles falsch?
Wer versuchte, sie in die Irre zu führen? Und warum?
Was war die Wahrheit? Und wo versteckte sie sich?
»Ben«, sagte sie.
Er hob den Zeigefinger, worauf sie verstummte und wartete, bis er das Gespräch beendet und das Handy ausgeschaltet hatte.
Doch inzwischen hatte sie ihre Meinung geändert und beschlossen, ihn noch nicht in die Neuigkeiten einzuweihen. Stattdessen fragte sie: »Gab’s irgendwas Wichtiges bei Sonnenfeld?«
Hartman berichtete über sein Gespräch mit ihm, wobei Anna gelegentlich eine Frage stellte oder sich einen Punkt genauer erklären ließ.
»Dann war Ihr Vater doch kein Nazi?«
»Zumindest sieht es Sonnenfeld so.«
»Hatte er eine Idee, was sich hinter Sigma verbirgt?«
»Ist ziemlich vage geblieben. Und als ich auf Strasser zu sprechen kam, ist er mir direkt ausgewichen.«
»Und warum Ihr Bruder umgebracht worden ist?«
»Anscheinend, weil man Enthüllungen fürchtete. Irgendwer will nicht, dass diese Namen bekannt werden.«
»Oder dass jemand von der Existenz der Organisation erfährt. Und zwar jemand, für den finanziell einiges auf dem Spiel steht. Was heißt, dass diese alten Burschen...« Plötzlich hielt sie inne. »Natürlich. Das gewaschene Geld. Diese alten Burschen sind natürlich bezahlt worden. Vielleicht von jemandem, dem sie bei der Gründung von Sigma geholfen haben.«
»Bezahlt im Sinne von geschmiert«, sagte Ben. »Vielleicht haben sie auch einen Anteil am Profit kassiert.«
Anna stand auf. »Wenn die Zahlungsempfänger tot sind, gibt’s auch keine Überweisungen mehr. Schluss mit den Zahltagen für unsere Tattergreise. Was heißt, dass der Auftraggeber der Morde von diesen finanziell profitiert. Leute wie Strasser. Oder Ihr Vater.« Sie schaute ihn an. Die Möglichkeit war nicht auszuschließen. Auch wenn Ben das nicht hören wollte. Vielleicht hatte sein Vater Blut an den Händen. Er könnte ein Mörder sein oder einer der Auftraggeber.
Doch was hatte es mit dem Täuschungsmanöver des falschen CIA-Mannes Ostrow auf sich? Stand er in irgendeiner Verbindung zu den Erben dieser verborgenen Reichtümer?
»Theoretisch könnte mein Vater einer von denen sein«, sagte Ben. »Aber ich kann’s einfach nicht glauben.«
»Warum nicht?«
»Weil mein Vater so viel Geld hat, dass er gar nicht mehr weiß, was er damit anfangen soll. Vielleicht ist er ein rücksichtsloser Geschäftsmann, vielleicht ist er auch ein Lügner. Okay. Aber nach dem Gespräch mit Sonnenfeld glaube ich nicht mehr, dass er durch und durch schlecht ist.«
Anna bezweifelte, dass Ben ihr etwas verheimlichte. Er schien tatsächlich ein loyaler Mensch zu sein. Und sicher auch ein loyaler Sohn. Eine bewundernswerte Eigenschaft, die einem allerdings manchmal den Blick auf die Wirklichkeit verstellte.
»Eins
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