Das Sigma-Protokoll
verstehe ich nicht«, sagte Ben. »Diese Typen sind steinalt - sie sterben sowieso bald. Warum heuert jemand Killer an, um sie umzubringen? Das ist das Risiko doch gar nicht wert.«
»Außer wenn du glaubst, dass sie vor dem Abnippeln noch was ausplaudern. Zum Beispiel über die damals vereinbarten finanziellen Regelungen.«
»Die haben eine halbes Jahrhundert den Mund gehalten. Warum sollten sie gerade jetzt anfangen zu reden.«
»Vielleicht machen die Justizbehörden Druck. Jetzt, nachdem die Liste aufgetaucht ist. Der Knüppel Strafverfolgung kann einen schon zum Plaudern bringen. Vielleicht befindet sich die Organisation auch in einer Art Übergangsphase und will sich ihrer Unsicherheitsfaktoren entledigen.«
»Alles Vermutungen«, entgegnete Ben. »Wir brauchen Fakten.«
Eine Zeit lang sagte keiner ein Wort. Dann fragte sie: »Mit wem haben Sie eben telefoniert?«
»Mit der Mitarbeiterin einer Art Privatdetektei, die ab und zu für unsere Firma arbeitet. Sie hat ein paar interessante Sachen über Vortex Laboratories herausgefunden.«
»Und?«, fragte Anna gespannt.
»Hundertprozentige Tochter der Armakon AG. Riesiger Chemie- und Technologiekonzern aus Österreich.«
»Österreich«, murmelte Anna. »Das ist ja interessant.«
»Die Giganten kaufen die kleinen Start-up-Firmen auf und schnappen sich damit die Rechte an Entwicklungen, die ihre eigenen Forschungsabteilungen nicht zustande gebracht haben.« Er machte eine Pause. »Noch was. Mein Freund auf den Caymans hat ein paar Überweisungen zurückverfolgen können.«
Und ihre eigenen Jungs im Ministerium hatten nichts herausgefunden, dachte Anna. Sie versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie aufgeregt sie war. »Legen Sie los.«
»Das Geld wurde von einer auf den Kanalinseln registrierten Briefkastenfirma überwiesen. Und zwar ein paar Sekunden, nachdem es dort von einer Treuhand-Anstalt aus Liechtenstein eingelaufen war.«
»Wenn ein Unternehmen Geld überweist, ist dann irgendwo in den Unterlagen der Name des Firmenbesitzers vermerkt?«
»Das ist der raffinierte Teil. Solche Treuhand-Anstalten sind meistens Scheinunternehmen, die nur auf dem Papier existieren. Sie werden normalerweise von Agenten verwaltet, in der Regel von Anwälten. Ein Agent in Liechtenstein kann locker tausende solcher Firmen betreuen.«
»Hat Ihr Freund den Namen des Agenten herausbekommen?«
»Ich glaube ja. Das Problem ist, dass ein Agent unter keinen Umständen, Folter mal ausgenommen, Informationen über einen Klienten preisgeben wird. Ohne Diskretion ist das Geschäft ruiniert. Aber mein Freund arbeitet dran.«
Sie musste grinsen. Der Bursche wurde ihr immer sympathischer.
Das Telefon klingelte.
Sie hob ab. »Navarro.«
»Walter Heisler hier. Hab gerade ein paar Untersuchungsergebnisse reinbekommen.«
»Und?«
»Wir konnten die Fingerabdrücke auf der Waffe des Schützen in Hietzing identifizieren. Sie stimmen mit den Interpol-Abdrücken eines Hans Vogler überein. Ex-Stasi-Mann. Hat wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dass da jemand auf ihn wartet. Sonst hätte er wohl Handschuhe getragen.«
Heislers Information war zwar keine Neuigkeit, aber die Fingerabdrücke würden ein gewichtiges Beweisstück abgeben.
»Fantastisch. Ich möchte Sie um noch einen Gefallen bitten, Walter.«
»Das scheint Sie gar nicht zu überraschen«, sagte Heisler pikiert. »Ex-Stasi, verstehen Sie? Geheimdienst der ehemaligen DDR.«
»Doch, doch, Walter, hab ich schon verstanden. Ich danke Ihnen, sehr gute Arbeit.« Sie merkte, dass sie mal wieder zu rüde gewesen war, und versuchte zurückzurudern. »Das war wirklich bestens gemacht, Walter. Noch eine Sache... wenn Sie so nett wären.«
»Ja?«, sagte Heisler gequält.
»Einen Augenblick noch.« Sie hielt die Hand über die Sprechmuschel und fragte Ben: »Haben Sie Hoffmann schon erwischt?«
Ben schüttelte den Kopf.
Sie nahm die Hand von der Muschel. »Walter, ich bräuchte alle greifbaren Informationen über einen Wiener Privatdetektiv namens Hans Hoffmann. Könnten Sie das für mich erledigen, Walter?«
Keine Antwort.
»Walter?«
»Ich bin noch da. Was wollen Sie von Hans Hoffmann?«
»Na ja, ich bräuchte noch jemanden, der mir zur Hand geht«, sagte sie schnell. »Er ist mir empfohlen worden.«
»Da werden Sie sich wohl nach jemand anderem umschauen müssen.«
»Was soll das heißen?«
»Vor einer Stunde hat die Angestellte eines Privatdetektivs namens Hans Hoffmann im Sicherheitsbüro angerufen. Sie hatte
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